Streaming-Start: 13.12.2019 | Laufzeit: 127 Minuten | FSK: 16 | Land: USA | Genre: Action, Thriller | Originaltitel: 6 Underground
Kritik
Der Name Michael Bay steht in Hollywood wie kein zweiter für überdimensioniertes Blockbuster-Kino und Krawall-Action. Der Regisseur der mit "Bad Boys" und "Transformers" gleich zwei erfolgreiche Film-Franchises zu verantworten hat, ist dadurch alles andere als unumstritten. Wer Anspruch sucht ist bei Bay sicherlich an der falschen Adresse, dennoch hat der frühere Werbe- und Musik-Video-Filmer seinen Stil und seine Anhängerschaft gefunden. Auch ich habe Michael Bay immer wieder verteidigt, da seine Filme zwar völliger Nonsens sind, trotzdem aber immer gut inszeniert waren und dank der spektakulären Action-Sequenzen immer bestens zu unterhalten wussten. In den letzten Jahren wirkt Bay jedoch zunehmend lustloser. Die beiden "Transformers"-Teile 4&5 waren nur noch ein Schatten des unterhaltsamen Popcorn-Kinos der früheren Teile und auch seine "menschlicheren" Filme, wie die Bodybuilding-Komödie "Pain&Gain" und das Kriegs-Drama "13 Hours" waren schnell wieder vergessen. Jetzt hat sich also Netflix die Dienste des berühmten Regisseurs gesichert, der mit "Deadpool"-Star Ryan Reynolds gemeinsame Sache macht und das Blockbuster-Kino in die heimischen vier Wände bringt. 150 Millionen Dollar hat sich Netflix den Spaß kosten lassen, was "6 Underground" zu einem der teuersten Netflix-Filme aller Zeiten macht. Von einigen wenigen kreativen Einfällen einmal abgesehen, reiht sich "6 Underground" jedoch nahtlos in die Reihe der enttäuschenden Bay-Filme ein.
Obwohl die Handlung von "6 Underground" auf einen Bierdeckel passt, fangen wir erst einmal damit an. Der Film dreht sich um sechs Individuen die ihren Tod vortäuschen, eine Elite-Einheit gründen und fortan das Böse bekämpfen. Mehr gibt es zur sogenannten "Handlung" auch nicht zu sagen, denn die ist ohnehin nur Mittel zum Zweck um in 127 Minuten möglichst viele Action-Szenen zu pressen. Das ist aber auch nicht weiter schlimm, denn inzwischen sollte keiner mehr von einem Bay-Film eine spannende Geschichte erwarten. Zumal die Phase nach der Florenz-Eröffnung, in der etwas mehr auf die Geschichte eingegangen und Exposition betrieben wird, auch die schlechteste des Films ist. Es ist also kein Drama, dass die Handlung danach in den Hintergrund rückt und stattdessen ein möglichst kurzweiliger Spaß im Vordergrund steht. Wer nach Logik und Sinn in der Handlung sucht wird aber ebenfalls enttäuscht werden, am besten man schaltet seinen Kopf für zwei Stunden auf Autopilot. Ein bisschen schade ist es dann aber doch, dass vor allem die Charaktere so blass bleiben. Mit Ausnahme von Ryan Reynolds, der wenigsten noch den Hauch einer Backstory bekommt, haben die anderen Charaktere keinerlei Tiefe. Bezeichnend dass sie im Film nur eine Nummer zugesprochen bekommen, für mehr interessiert sich der Film auch gar nicht. Wie stark eine eigentlich gewöhnliche Heist-Geschichte mit interessanten Charakteren werden kann, hat nicht zuletzt "Haus des Geldes" bewiesen mit denen Netflix eine Cross-Promotion gestartet hatte.
Apropos Marketing: Als Ryan Reynolds in einem Promo-Video sagte, "6 Underground" wäre der "Michael Bayigste Film in der Geschichte von Michael Bay", hat er nicht gelogen. Der Blockbuster besitzt alles was man von Bay in den vergangenen Jahren gesehen hat. Einen enorm hohen Kontrast, der bisweilen an einen LSD-Trip grenzt, überall Explosionen die aussehen wie ein Silvester-Feuerwerk und unzählige Zeitlupen. Dazu kommen flotte Sprüche, leicht-bekleidete Damen und ein hoher Gewaltgrad. Fans des Regisseurs werden sich zwar schnell wohlfühlen, dennoch übertreibt es Michael Bay sogar für seine Verhältnisse viel zu sehr. "6 Underground" wirkt einfach zu erzwungen cool. Die ständigen One-Liner die nur selten richtig zünden, der Einsatz von Zeitlupen an den unsinnigsten Stellen und ein übertrieben hoher Gewaltgrad, trüben immer wieder den Spaß. Das Blut spritzt nämlich ordentlich, Köpfe zerplatzen und wo zur Hölle kam eigentlich dieses Auge her? Das schlimmste an der ganzen Sache ist aber das Schnittmassaker welches Michael Bay hier fabriziert. Normalerweise lassen sich seine Action-Szenen gut anschauen, doch was sich Bay insbesondere in der Eröffnungsszene erlaubt, einer wilden Verfolgungsjagd durch Florenz, ist eine mittelschwere Katastrophe. Unglaublich schnelle Schnitte, eine verwackelte Handkamera, übertriebene Close-Ups, die nur von unsinnigen Zeitlupen unterbrochen werden. Diese chaotische Verfolgungsjagd ist ein ernsthafter Kandidat für die schlechteste Actionszene des Jahres und kommt direkt aus der Schnitthölle. Dass es Bay eigentlich versteht große Actionszenen zu inszenieren, sieht man im späteren Verlauf des Films. Die zweite große Actionszene in einem Hochhaus in Hongkong ist nämlich deutlich ruhiger inszeniert und macht insgesamt sogar richtig Spaß. Das gleiche gilt auch für die dritte und letzte große Actionszene im Finale auf einer Yacht. Hier beweist Bay mit einer kreativen Magnet-Szene sogar regelrecht Einfallsreichtum. In der Summe bessert sich "6 Underground" in der zweiten Hälfte also deutlich. Nach dem schwachen Start mit der Florenz-Szene und der langweiligen Exposition, geht es in der zweiten Hälfte deutlich unterhaltsamer zur Sache.
Wie das Gehirn der Zuschauer läuft auch Ryan Reynolds auf Autopilot. Der Kanadier spielt sich im Prinzip erneut selbst und hat eigentlich nicht viel zu tun. Die "Deadpool"-Drehbuchautoren legen ihm die gewohnten Sprüche in den Mund und Reynolds ist durchaus solide im Film. Neben ihm besitzt "6 Underground" gar keinen schlechten Cast. Mit Melanie Laurent, Dave Franco und Ben Hardy hat man sich einige gute Darsteller ins Boot geholt, bei diesen Stereotypen Charakteren hätte man aber auch Pappfiguren aufstellen können, es wäre kaum aufgefallen.
Fazit
Nach einer der schlechtesten Action-Szenen des Jahres, in der Michael Bay in Florenz ein wahres Schnittmassaker veranstaltet, war das schlimmste zu befürchten. Glücklicherweise bessert sich "6 Underground" in seiner zweiten Hälfte und kann in den beiden anderen großen Action-Sequenzen deutlich mehr punkten. Obwohl oder gerade weil die Handlung im Hintergrund steht, entwickelt sich ein durchaus kurzweiliges Spektakel, dass jedoch auf Teufel komm raus cool sein will. Insgesamt wirkt "6 Underground" wie ein 150 Millionen Dollar teurer Trash-Film und reiht sich als mittelmäßiger Blockbuster nahtlos in die Liste der uninspirierten Michael Bay-Blockbuster der letzten Jahre ein. Daran kann auch die Starpower von Ryan Reynolds nichts ändern.
5/10
Poster&Trailer: © Netflix