El Camino: Ein Breaking Bad Film

Streaming-Start: 11.10.2019 | Laufzeit: 122 Minuten | FSK: 16 Land: USA | Genre: Drama | Originaltitel: El Camino: A Breaking Bad Movie


Kritik

Ziemlich genau sechs Jahre ist es her: Im September 2013 erschien mit "Felina" die letzte von 62 Episoden "Breaking Bad", mit der Showrunner Vince Gilligan seine Erfolgsserie abschloss. Mit der vielleicht legendärsten Episode der TV-Geschichte "Ozymandias" und dem Abschluss" Felina" gelang Gilligan, woran "Game of Thrones" kläglich scheiterte: Der Serie ein perfektes Ende zu bescheren. 2015 ließ Gilligan die Prequel-Serie "Better Call Saul" folgen, die sich ganz um die Anfänge des kriminellen Anwalts Saul Goodman drehte und sich in allen vier Staffeln bislang immer weiter steigern konnte. Jetzt betritt Gilligan zum ersten Mal ungewohntes Terrain, denn mit "El Camino" veröffentlicht der dreifache Emmy-Gewinner seinen ersten Film bei dem er das Drehbuch und die Regie übernimmt und setzt damit die Ereignisse des "Breaking Bad"-Finales fort. Ein extrem riskantes Unterfangen, immerhin läuft so ein Sequel die Gefahr, das perfekte Ende der Serie in gewisser Weise zu ruinieren. Doch keine Sorge: Vince Gilligan weiß sehr wohl mit diesem Druck umzugehen und liefert mit "El Camino" einen Film ab, der nahtlos an das Serienfinale anknüpft. Nur richtig begeistern kann der Film nicht.

 

Zunächst ein Wort der Warnung: "El Camino" ist durch und durch ein Film für "Breaking Bad"-Fans, entsprechend werde ich hier das Ende der Serie spoilern. Wer die Erfolgsserie noch nicht gesehen hat, die bei mir eine 10/10 erhalten hat, sollte das schleunigst nachholen und sich erst danach den Film ansehen und diese Kritik lesen. Zwar hat Vince Gilligan behauptet, man könne den Film auch ohne die Serie genießen, dem kann ich jedoch nicht wirklich zustimmen. Aber der Reihe nach. In der letzten Episode kam es zum großen Showdown zwischen Walter White (Bryan Cranston), dem versklavten Jesse Pinkman (Aaron Paul) und der Bande von Nazis, der mit dem Einsatz eines M60-Gewehres ein spektakuläres Ende fand. Jesse, der fünf Staffeln über ausgenutzt und belogen wurde, traf endlich seine eigenen Entscheidungen, tötete den Psychopathen Todd (Jesse Plemons), verschonte Walt und fuhr mit irrem Blick in die Nacht hinein. Womit wir bei "El Camino" wären, dem Netflix-Film der sich ganz um Jesse dreht. Der Filmtitel steht dabei nicht nur für das gleichnamige Automodell mit dem Jesse seine Flucht antrat, sondern bedeutet zudem so etwas wie "Der Weg". Und seinen Weg, den Gilligan im Staffelfinale offen gelassen hatte, zeichnet der Film nun nach. Dass Jesse dabei anfangs auf seine Kollegen und Publikumslieblinge Skinny Pete (Charles Baker) und Badger (Matt Jones) trifft, war schon im Trailer zu sehen, ansonsten herrschte jedoch die totale Geheimhaltung. Ein interessanter Umstand in der heutigen Zeit, denn nicht nur wurde die Handlung komplett unter Verschluss gehalten, sondern im Vorfeld gab es auch keine Kritiken. Unbedarfter kommt man als Otto-Normal-Filmfan heutzutage nicht in den Genuss eines Films und entsprechend möchte ich an dieser Stelle auch so wenig wie möglich über die Handlung verraten. Fakt ist, Jesses Story wird absolut sinnvoll fortgeführt und führt zu einem Ende, dass sich für jeden "Breaking Bad"-Fan sehr befriedigend anfühlt. Das perfekte Ende der Serie bleibt also unberührt. Allerdings geht Vince Gilligan mit "El Camino" etwas zu sehr auf Nummer sicher. Das große Drama bleibt nämlich aus und Jesse wird nicht wirklich in eine Ecke gedrängt, wie es Gilligan gerne mit seinen Figuren macht. Verstärkt wird dieser Eindruck von etlichen Gastauftritten, die jedem Fan der Serie natürlich ein Lächeln aufs Gesicht zaubern. Neben Skinny Pete und Badger, hat auch der Psychopat Todd (Jesse Plemons) eine größere Rolle im Film, sowie der am Tag der Premiere verstorbene Robert Forster. Die restlichen Gastauftritte spielen fast alle in Rückblenden. Mike (Jonathan Banks), Jesses Ex-Freundin Jane (Krysten Ritter) und ja, auch Walter White, dessen Auftritt zur Zeit der ersten Staffel spielt, bekommen ein Comeback. Letztendlich sind diese Auftritte jedoch nichts anderes als purer Fanservice, der mir persönlich etwas zu weit ging, da diese Szenen die Handlung des eigentlichen Filmes nicht voran bringen. Das Wiedersehen mit den geliebten Figuren ist zwar schön, weniger wäre aber definitiv mehr gewesen. Dafür kann die Handlung in der Gegenwart mit einigen spannenden Highlights punkten. Obwohl das große Drama auf der Strecke bleibt, zeigt Gilligan wieder sein ganzes Talent, wenn es darum geht eine eigentlich harmlose Szene zum intensiven Highlight zu machen. Gerade die Szenen mit Jesse und Todd, Jesses Durchsuchung von Todds Wohnung und der finale Showdown, liefern solche eindringlichen Momente. 

Stilistisch hebt sich "El Camino" derweil recht klar von der Serie ab. Wurde die Serie in einem hellen Look und im 16:9-Format gedreht, wirkt der Film nun deutlich cineastischer. "El Camino" spielt größtenteils bei Nacht und ist im 21:9-Format gehalten. Der Film macht dadurch einen moderneren und hochwertigeren Eindruck als die Serie, die noch im typischen TV-Look daher kam. Die Inszenierung ist Vince Gilligan jedenfalls wieder gelungen, zumal der Regisseur einige kreative Kameraeinstellungen einfügt, die schon ein wenig sein Markenzeichen geworden sind. Gerade Jesse Zeitraffer-Durchsuchung von Todds Wohnung stellt dabei ein kleines Highlight dar. Ansonsten kann sich Gilligan wie immer auf sein herausragendes Ensemble verlassen, dass schon immer eine große Stärke des "Breaking Bad"-Univerums war. Allen voran schlüpft Aaron Paul in seine Paraderolle des Jesse Pinkman, als wären keine sechs Jahre vergangen. Seine Figur, aber auch seine Performance, ist das Herzstück des Films.

 

Fazit

"El Camino" ist ein Geschenk von Vince Gilligan an alle "Breaking Bad"-Fans, dass die Geschichte von Jesse Pinkman sinnvoll fortführt und das Ende der Serie in keinster Weise zerstört. Der Film lebt von seinen tollen Charakteren, sowie von einigen spannenden Highlights, die von Gilligan hervorragend inszeniert wurden. Das macht "El Camino" zu einem insgesamt  sehenswerten und sehr unterhaltsamen Film, für mehr fehlt es aber an erzählerischer und emotionaler Tiefe. Das große Drama bleibt aus und die meisten Gastauftritte sind reiner Fanservice, die die Handlung des Films nicht voranbringen. Letztendlich geht Vince Gilligan mit "El Camino" vielleicht etwas zu sehr auf Nummer sicher und das Sequel reicht dabei lange nicht an die Extraklasse eines "Breaking Bad" (10/10) oder auch "Better Call Saul" (8/10) heran. Dennoch wird der Film allen Serienfans sehr viel Freude bereiten.

 

7/10


Kommentare: 0

Poster&Trailer: © Netflix