Der Schacht

Streaming-Start: 20.03.2020 | Laufzeit: 94 Minuten | FSK: 18 Land: SPA | Genre: Horror, Sci-Fi | Originaltitel: El Hoyo


Kritik

All die verschobenen Hollywood-Blockbuster, die wegen des Corona-Virus ihren Kinostart verschieben mussten, haben ein großes Festmahl für "Der Schacht" hinterlassen um direkt ins Thema des Films einzusteigen. Der neue Netflix-Film, den der Streaming-Anbieter im September bei den Internationalen Filmfestspielen von Toronto gekauft hatte, war schlichtweg zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Denn dank der weltweiten Krise hat sich "Der Schacht" zu einem Riesenhit aufgeschwungen, was bei einem FSK-18-Film aus dem ohnehin unübersichtlichen Netflix-Katalog keine Selbstverständlichkeit ist. Doch das Werk des spanischen Regisseurs Galder Gaztelu-Urrutia ist in Zeiten von unsolidarischen Hamsterkäufen und einer Gesellschaft in Quarantäne näher am Nabel der Zeit, denn je. Für Netflix ist es indes die Weiterführung ihrer bislang extrem erfolgreichen spanischen Produktionen. Nach den Serienerfolgen von "Haus des Geldes" und "Elite", ist "Der Schacht" nun der erste große Filmhit aus Spanien. Und das durchaus zurecht. Der extrem düstere und knallharte Psychothriller überzeugt mit seiner schonungslosen Gesellschaftskritik und bietet darüber hinaus jede Menge Interpretationsspielraum. Für jedermann ist der Film aber sicherlich nicht geeignet.

 

Die Grundidee von "Der Schacht" ist so einfach wie interessant. Auf über 200 Ebenen leben jeweils zwei Menschen pro Stockwerk in einem vertikalen Schacht. Einmal täglich bahnt sich eine Plattform mit Essen von oben nach unten ihren Weg. Wer ganz oben lebt darf sich am reich gedeckten Tisch satt essen, während auf der untersten Etage nur noch die Knochen und Scherben an das einstige Festmahl erinnern. Ein Zustand der nicht lange währt, denn jeden Monat werden die Stockwerke nach dem Zufallsprinzip getauscht. Eine filmgewordene Gesellschaftskritik also, die den Grundstein für einen knallharten Psychothriller legt. Gesetze oder Gewaltenteilung existieren in diesem vertikalen System nicht, stattdessen regieren Hunger und Mord das alltägliche Leben der Insassen, die aus den unterschiedlichsten Gründen in diese Lage gekommen sind. "Der Schacht" zeigt die Menschen dabei von ihrer abgrundtiefsten Seite. Der Film zeigt gnadenlos wie aus eigentlich guten Menschen wilde Tiere werden, die vor Hunger sogar zu Mördern und Kannibalen werden. Tatsächlich ist das oft für Filme verwendete Wort "Düster" wohl einzig und allein für diesen Film geschaffen worden. Dank ekelhafter Szenen vom Essensbüffet, mehreren blutigen Gewaltspitzen und der generellen Hoffnungslosigkeit, hat sich der Film seine FSK-18-Einstufung redlich verdient. Für zartbesaitete Zuschauer ist der neue Netflix-Film also definitiv nicht geeignet. Trotz allem passt der Film wie eingangs erwähnt hervorragend zu unserer aktuellen Situation in denen unsolidarische Mitbürger Hamsterkäufe tätigen und systemrelevante Arbeitnehmer abends vor leeren Regalen im Supermarkt stehen. Doch nicht nur aus gesellschaftskritischer Hinsicht ist "Der Schacht" interessant. Letzten Endes lässt das Gedankenexperiment nämlich viel Freiraum für Interpretationen. Der seidene Faden der Hoffnung der den Film durchzieht, besteht aus dem Wunsch nach einer Revolution. Dem Gedanken daran, das jeder freiwillig nur so viel konsumiert was er selbst benötigt obwohl er selber alles haben könnte. Doch ist das in so einer/unseren Gesellschaft überhaupt möglich? Denn am Ende kommen zur vorher geäußerten Gesellschaftskritik auch Systemkritische Töne zu tragen, die uns allen den Spiegel vorhalten. Eine Antwort auf die Fragen die Regisseur Galder Gaztelu-Urrutia stellt, gibt es am Ende nicht. Stattdessen endet "Der Schacht" mit einem sehr offenen Ende, zu offen meiner Meinung nach. Ein paar Antworten auf zuvor gestellte Fragen wären meiner Meinung nach befriedigender gewesen, so hat mir das Ende dann doch nur wenig gegeben. Erst nach dem Film bin ich auf die Stimmen anderer Zuschauer gestoßen, die allesamt unterschiedliche Interpretationen für das Ende parat hielten. Ob einem dieser enorme Interpretationsspielraum zusagt oder ob man sich am völlig offenen Ende stört, ist dabei jedem selbst überlassen. Allein diese unterschiedlichen Meinungen machen den Film aber schon sehenswert, da er jeden Zuschauer dadurch noch nachhaltig beschäftigen wird.

Das Ende ist jedoch nicht der einzige Punkt an dem man sich stören kann. Nach einem gelungenen Start die einen behutsam an die brutalen Gegebenheiten des Schachts heranführt, kann man im Mittelteil die eine oder andere Länge nicht leugnen. Obwohl der Film mit 94 Minuten eigentlich sehr kurz ist. Auch an anderen Stellen des Films habe ich mich ein wenig gestört. Die wiederkehrenden Halluzinationen des Hauptcharakters waren mir etwas zu viel des Guten und die Gesellschaftskritik wird dem Zuschauer schon mit dem Holzhammer eingebläut, bis es auch der letzte Mensch auf dem heimischen Sofa verstanden hat. All das macht "Der Schacht" nur zu einem guten Film, obwohl man das Gefühl nicht los wird, dass der Film durchaus einiges mehr an Potenzial gehabt hätte. Alle Fans von Bong Joon-hos großartiger Dystopie "Snowpiercer", dem der Film schon recht deutlich ähnelt, dürfen trotzdem beherzt auf Play drücken. Ein US-Remake kann man aber schon förmlich riechen. 

Optisch kommt die Dystopie derweil in einem sehr biederen Look daher. Der Schacht ist nunmal kein Vergnügungspark und die kahlen Betonwände, gepaart mit dem farblosen, düsteren Look, verstärken die ausweglose Atmosphäre noch einmal deutlich. Auch wenn es blutig wird spritzt kein Ketchup aus den Wunden der Opfer, sondern "echtes" Kunstblut. Während die Optik in ihren kammerspielartigen Grenzen also überzeugt, sticht auf der Seite der hierzulande unbekannten spanischen Darsteller, keiner wirklich aus dem Ensemble hervor. Die Schauspieler machen eine solide Figur, nicht mehr und nicht weniger.

 

Fazit

Mit seiner schonungslosen Gesellschaftskritik und den brutalen Gewaltspitzen, hat sich "Der Schacht" sein FSK-18-Rating redlich verdient. Der neue Netflix-Hit aus Spanien ist definitiv nichts für zartbesaitete Zuschauer, vermag als knallharter Psychothriller aber durchaus zu überzeugen. Zwar schleichen sich einige Längen ein und die Botschaft wird dem Zuschauer etwas zu sehr mit dem Holzhammer eingebläut, gelungen ist "Der Schacht" aber in jedem Fall, weil er dank der aktuellen Corona-Lage mit den unsolidarischen Hamsterkäufen auf einmal näher am Nabel der Zeit ist, denn je. Am sehr offenen Ende werden sich derweil viele stören. Wer Antworten erwartet hat Pech gehabt, wer Spaß daran hat die Geschehnisse zu interpretieren, wird in den Kommentarspalten zahlreiche und völlig unterschiedliche Ansätze finden, die den Film allein schon sehenswert machen. Völlig klar!

 

7/10


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Poster&Trailer: © Netflix