Kinostart: 27.02.2020 | Laufzeit: 124 Minuten | FSK: 16 | Land: AUS, USA, CAN, GBR | Genre: Horror | Originaltitel: The Invisible Man
Kritik
Das Coronavirus hat auch die Filmwelt weiter fest im Griff und zu zahlreichen Verschiebungen großer Filme geführt. Inzwischen sind in Deutschland und den USA sogar sämtliche Kinos dicht. Das trifft einige Kinofilme der letzten Wochen hart, da sie bereits angelaufen sind und nun kein Geld mehr einspielen können. Als erstes Hollywoodstudio hat sich Universal nun dazu entschlossen, die Filme "Der Unsichtbare", "Emma" und "The Hunt" direkt auf den gängigen VoD-Plattformen wie Amazon und iTunes zu veröffentlichen. Viele fürchten durch diesen Schritt das endgültige Ende des Kinos, meiner Meinung nach ist diese Sorge jedoch unbegründet und eher eine temporäre und gleichzeitig auch sinnvolle Maßnahme um die Verluste der Studios klein zu halten. Ehe andere Studios wie Sony und Warner Bros. nachziehen, bekommen Horrorfans nun also bereits die Gelegenheit "Der Unsichtbare" zu streamen. Der Film basiert lose auf dem gleichnamigen Sci-Fi-Roman von H. G. Wells aus dem Jahr 1897, der bereits die eine oder andere Verfilmung nach sich zog. Berühmtestes Beispiel ist dabei wohl der Paul Verhoeven-Thriller "Hollow Man" aus dem Jahr 2000 mit Kevin Bacon in der titelgebenden Hauptrolle. "Der Unsichtbare" transportiert die klassische Geschichte nun in die Moderne und überzeugt dabei als enorm spannender und sehr gelungener Horrorfilm.
Schon zu Beginn des Jahres stand "Der Unsichtbare" auf meiner Most-Wanted-Liste der Horrorfilme 2020 ganz oben und ließ dabei sogar heiß-erwartete Sequels wie "A Quiet Place II" oder "Saw: Spiral" hinter sich. Das lag in erster Linie an der Besetzung vor und hinter der Kamera. Als Drehbuchautor und Regisseur hält nämlich niemand Geringeres als Leigh Whannell die Zügel in der Hand, der sich die großartigen Storys der ersten drei "Saw"-Filme ausgedacht hat und damit eines der erfolgreichsten Horror-Franchise aller Zeiten zu verantworten hat. Und vor der Kamera ist die Emmy- und Golden Globe-Gewinnerin Elisabeth Moss zu sehen. Wer die fantastische Serie "The Handmaid's Tale" gesehen hat, weiß wie unglaublich Moss spielen kann. Beste Voraussetzungen also für ein echtes Horror-Highlight und trotz einiger Schwächen ist "Der Unsichtbare" auch genau das geworden. Besonders überzeugend ist dabei die Handlung. Elisabeth Moss spielt Cecilia Kass, die verängstigte Ehefrau des manipulativen Wissenschaftlers Adrian Griffin, mit dem sie in einer gewalttätigen Beziehung lebt. Grund genug für die junge Frau aus den Fängen ihres Mannes zu entfliehen. Die ersten Minuten von "Der Unsichtbare" zeigen eben jene Flucht und werfen den Zuschauer direkt ins Geschehen. Leigh Whannell gelingt es von der ersten Sekunde an und ohne Dialoge, für ein unglaubliches Gefühl der Bedrohung und Anspannung zu sorgen, das einen sofort in seinen Bann zieht. Ein Level an Spannung, dass der Film auch bis zum Finale durchhält. Grund dafür ist vor allem die mitreißende Geschichte, die einige hochspannende Frage stellt. Vorangig ob sich Elisabeth Moss die unsichtbare Bedrohung nur ausdenkt oder nicht. Aber auch im weiteren Verlauf überzeugt das raffinierte Drehbuch von Whannell, da er mit jeder beantworteten Frage auch immer neue Fragen aufwirft, so dass das Interesse an der Handlung nie abflaut. Einen großen Anteil daran hat aber auch Elisabeth Moss, die den Film zu einer Art One-Woman-Show macht, da alle Nebencharaktere ihr schon relativ deutlich untergeordnet sind. Die 37-jährige wurde schlichtweg für solche Rollen geboren und spielt ihren Charakter irgendwo zwischen verstörtem Opfer und kämpferischer Frau. Ähnlichkeiten zu ihrer Rolle in "The Handmaid's Tale" sind also nicht von der Hand zu weißen, doch ich könnte Moss weiterhin stundenlang dabei zusehen. Eine hervorragende Darbietung, die die Intensität des Films noch einmal steigert.
Auch die Inszenierung der zahlreichen Horror-Sequenzen hat mir sehr gefallen. Gegen gängige Genre-Konventionen verzichtet Whannell nämlich auf ein Jumpscare-Massaker. Es gibt zwar einige wenige Jumpscares, die sind jedoch so effektiv eingesetzt, dass sie mir nicht störend aufgefallen sind. Stattdessen sorgt der titelgebende Unsichtbare für eine fiese Bedrohung. In Filmen waren schon immer jene Monster am bedrohlichsten, die dem Zuschauer nicht gezeigt wurden, entsprechend funktioniert dieser Film auch hervorragend auf seiner Horror-Ebene. Dazu kommt ein exzellentes Sounddesign, bei dem gerade der ungewöhnliche Soundtrack mit seinen tiefen "Brass-Tönen" zu überzeugen weiß und die Intensität des Films weiter steigen lässt. Bei den wenigen Action-Szenen führt Leigh Whannell derweil seine Action-Inszenierung aus "Upgrade" fort. Der brutale australische Action-Reißer wurde im letzten Jahr von vielen Genre-Fans gefeiert und in "Der Unsichtbare" finden sich die gleichen dynamischen Kameraschwenks wie in Whannells Vorgänger wieder, die scheinbar zu seinem Markenzeichen werden.
Ganz ohne Schwächen kommt jedoch auch "Der Unsichtbare" nicht aus. Gerade zwei Dinge fallen während der Sichtung störend auf. Zum einen sollte man es tunlichst vermeiden sich die Trailer zum Film vorher anzuschauen. Da hat die Marketingabteilung von Universal wieder ganze Arbeit geleistet und in den Trailern die meisten Szenen bereits verraten, was gerade bei einem solchen Horrorfilm den Schrecken reduziert. Dem Regisseur kann man hier natürlich keinen Vorwurf machen, aber es ist einfach überaus schade. Einen Vorwurf gefallen lassen muss sich Leigh Whannell dann aber doch noch. So spannend der Film bis zum Finale auch sein mag, die letzen zehn Minuten fallen hinter dem Rest des Films etwas zurück. Das Ende ist zwar nicht schlecht, weil es die Geschichte zu einem runden Abschluss bringt, die Spannung ist aber komplett raus, weil jeder Zuschauer zu diesem Zeitpunkt wissen wird was nun passiert. Dadurch fehlt dem Ende die Durchschlagskraft der vorherigen Minuten. Entscheidend geschmälert hat dieses Ende meinen Gesamteindruck aber nicht.
Fazit
Meine Hoffnungen auf "Der Unsichtbare" waren groß, immerhin zeichnet sich mit Leigh Whannell der "Saw"-Schöpfer für das Drehbuch und die Regie verantwortlich, und mit Elisabeth Moss steht eine meiner absoluten Lieblingsschaupielerinnen vor der Kamera. Tatsächlich gelang es dem Horrorfilm auch jene Hoffnungen zu erfüllen, obwohl die letzten zehn Minuten, sowie die Trailer-Kampagne, die leider viel zu viel vorweg genommen hat, den Gesamteindruck etwas schmälern. Trotzdem weiß die clevere und spannende Handlung zu überzeugen und die Inszenierung des unsichtbaren Schreckens ist verdammt effektiv. Das macht "Der Unsichtbare" zu einem echten Horror-Highlight, das man definitiv nicht verpassen sollte.
8/10
Poster&Trailer: © Universal Pictures