Mulan

Streaming-Start: 04.09.2020 | Laufzeit: 115 Minuten | FSK: 12 Land: USA, CAN, HKG | Genre: Action, Abenteuer


Kritik

Wie viel sind Kunden bereit für einen aktuellen Blockbuster im Heimkino zu bezahlen? Und werden letztendlich genügend Kunden dieses Angebot nutzen um selbst einen 200 Millionen Dollar teuren Film zum Erfolg zu machen? Diese Fragen begleiten den viel diskutierten Heimkino-Release von "Mulan". Nachdem die neueste Realverfilmung aus dem Hause Disney im April zunächst in die Kinos kommen sollte, verhinderte die Corona-Pandemie einen Release für lange Zeit. Und als die Kinos wieder öffneten, entschied sich Disney dafür, anders als die Konkurrenz von Warner Bros. die Christopher Nolans neues Meisterwerk "Tenet" vergangene Woche in die Kinos brachten, den Film lediglich via Streaming zu veröffentlichen. Eine Entscheidung die die Verantwortlichen nach dem sensationellen Start von "Tenet" schon jetzt bereuen dürften, immerhin wird der Film so zum spannenden Testsubjekt was Premium VOD-Veröffentlichungen in der Zukunft anbelangt. Während sich also alle Augen in Hollywood gespannt auf den Erfolg oder Misserfolg des Films richten, soll es hier natürlich ausschließlich um eine Bewertung des Films gehen, der nämlich vieles richtig macht. Ob er die hohen Kosten von 29€ wert ist ("Mulan" erfordert ein Disney+-Abo von monatlich 7€, sowie einer Premium-Gebühr von 22€), muss letzten Endes jeder selbst entscheiden. 

 

Die 1998 erschienene Zeichentrick-Vorlage von Disney, über eine starke Kriegerin die sich verbotenerweise als Mann ausgibt um ihrer Familie und ganz besonders ihrem angeschlagenen Vater Ehre zu bringen, war zwar gelungen, gehört aber auch nicht zu den besten Zeichentrickfilmen des Mäusekonzerns. Gerade deswegen bietet sich hier eine Realverfilmung mehr an als beispielsweise bei "Der König der Löwen", dessen Vorlage nicht nur nahe an der Perfektion war, sondern ausschließlich aus CGI bestand. Das seelenlose Machwerk steht stellvertretend für alles was beim gierigen Konzern aktuell falsch läuft, umso überraschter war ich bei meiner Sichtung von "Mulan". Die erste PG-13-Realvefilmung kommt um einiges düsterer und ernster daher als man es von Disney gewohnt ist. Trotzdem wirkt die Atmosphäre nie befremdlich sondern verschafft der ohnehin mitreißenden Story einiges an Gewicht. Trotz allem kommt auch der Humor nicht zu kurz, wodurch "Mulan" problemlos über seine 115 Minuten hinweg für gute Unterhaltung sorgt. Dabei müssen Fans der Vorlage jedoch auf ihren Leistungscharakter Mushu verzichten. Den kleinen Drachen, der in der deutschen Version von Otto Waalkes gesprochen wurde, vermisst man in der Realverfilmung jedoch zu keiner Zeit, da er zum ernsten Ton des Films auch gar nicht gepasst hätte. Auf Mushu zu verzichten ist zwar eine umstrittene Maßnahme, aber eine von vielen Entscheidungen die sich positiv auf den Film auswirken. So auch die neu hinzugefügte Hexe, die als neuer Hauptbösewicht fungiert. Anfänglich sind ihre Verwandlungsfähigkeiten noch befremdlich, im Verlauf der Geschichte wird aus ihrem Charakter aber ein weit weniger eindimensionaler Bösewicht als der Anführer der Truppen im Original und auch hier in der Realverfilmung. Eine weniger gelungene Entscheidung ist jedoch der Einsatz von Fantasy-Elementen. Die eigentlich ziemlich geerdete Geschichte im historischen China, wird mit übertriebenen Actionszenen ergänzt. An den Wänden hochlaufende Soldaten, für die Schwerkraft nicht zu existieren scheint, sind ebenso an Bord wie eine kämpfende Mulan, die gerne mal im "Matrix"-Stil feindlichen Pfeilen ausweicht und aus der Luft Speere in die Herzen ihrer Gegner tritt. Letzten Endes hätte es solche Szenen gar nicht gebraucht, stattdessen stören sie die ansonsten gelungene Atmosphäre. Hier zeigt sich klar, dass "Mulan" hauptsächlich für den asiatischen Markt konzipiert wurde, die solche Szenen gewohnt sind. Ach die Verwandlungen der Hexe, von ihrer menschlichen Gestalt zu einem Adler, einem Schwarm Vögel oder sogar in andere Menschen hätte es nicht unbedingt gebraucht. Leider steht sich "Mulan" dadurch immer wieder selbst im Weg.

Dafür stimmt die technische Seite des Films. Das mag bei einem 200 Millionen Dollar teuren Blockbuster keine Überraschung sein, blickt man aber auf den extremen CGI-Einsatz in den letzen Disney-Realverfilmungen, wirkt "Mulan" doch erstaunlich geerdet. Wie viel Green Screen und CGI genutzt wurde kann ich zwar nicht sagen, allerdings wirkt der Film die meiste Zeit über wie an realen Schauplätzen gedreht, was seiner Atmosphäre noch einmal zuträglich ist. Und wenn dann doch Effekte zum Einsatz kommen, sehen diese auch wie gewohnt hervorragend aus. Das gleiche gilt für die Musik von Harry Gregson-Williams, der das berühmte Thema aus dem Zeichentrickfilm immer wieder einbindet und trotzdem etwas neues kreiert. Der Look, die Atmosphäre und die Story sind also gelungen, bei den Schauspielern kann man dies nur mit Abstrichen behaupten. Dem westlichen Publikum wird davon ohnehin nur einer bekannt vorkommen: Martial-Arts-Legende Donnie Yen ("Rogue One"), der wie so oft den Lehrmeister mimt. Von den mir unbekannten Gesichtern in den Nebenrollen ist mir zumindest keiner negativ aufgefallen, nur Hauptdarstellerin Yifei Liu bleibt leider recht blass. Obwohl der Film sein Herz am rechten Fleck hat, kommen so am Ende nicht die ganz großen Emotionen rüber, da Mulan im Film doch recht kalt und unnahbar wirkt. Nicht dass ich mit solchen Charakteren ein Problem hätte (siehe "Tenet"), für einen Disney-Film wünsche ich mir jedoch eine etwas sympathischere Hauptcharakterin. 

  

Fazit

Die Veröffentlichungsstrategie von Disney hat zwar für hitzige Diskussionen gesorgt, auf die Wertung des Films hat sie jedoch keinen Einfluss. Zumal sich Disney nach dem exzellenten Start von "Tenet" ohnehin ärgern wird, "Mulan" nicht in die Kinos gebracht zu haben. So dient die Realverfilmung des Zeichentrickfilms aus dem Jahr 1998 als Testsubjekt dafür, wie erfolgreich Premium VOD-Veröffentlichungen sein können. Qualitativ gesehen ist der Film derweil eine echte Überraschung und reiht sich zu den besseren Realverfilmungen von Disney ein. Die gut erzählte Geschichte einer Kriegerin überzeugt und der Film ist trotz seiner ernsten Atmosphäre zu jeder Zeit unterhaltsam. Der fehlende Fanliebling Mushu, hätte zu dieser Verfilmung auch gar nicht gepasst. Daneben überzeugt der Look des Films, der längst nicht so CGI-lastig ausfällt wie sonst und die tolle Musik von Harry Gregson-Williams. Einzig und allein die Fantasy-Aspekte haben mich gestört, gerade in den übertriebenen Actionszenen, die eindeutig für ein asiatisches Publikum ausgelegt sind. Auch die neu hinzugefügte Hexe wirkt dank ihrer Verwandlungsfähigkeit zunächst befremdlich, wird im Verlauf aber zu einem echt gelungenen Charakter. Lediglich die Hauptdarstellerin bleibt etwas blass und wirkt dadurch kühl und unnahbar. Alles in allem ist "Mulan" aber ein sehenswerter Actionfilm geworden, der sich klar von seiner Vorlage unterscheidet, dessen Niveau aber problemlos halten kann. Ob er auch die 22€ im Disney+-Abo wert ist, muss indes jeder selbst für sich entscheiden.

 

7/10


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Poster&Trailer: © Walt Disney