The Northman

Kino: 21.04.2022 | Laufzeit: 137 Minuten | FSK: 16 Land: USA | Genre: Abenteuer, Action


Kritik

„The Northman“ und der Tod der Mid-Budget-Filme: Das Bindeglied zwischen den sündhaft teuren Blockbustern mit einem Budget jenseits der 150 Millionen Dollar und den kleinen Studiofilmen, die lediglich ein paar Millionen verschlingen, ist inzwischen fast ausgestorben. Filme, die knapp unter 100 Millionen Dollar kosten, können nur selten Gewinn generieren, da sie zu unbedeutend für die breite Masse und zu teuer für ihr kleines Publikum sind. So trifft auch Robert Eggers „The Northman“ dieses Schicksal, der wenige Wochen nach Kinostart lediglich 50 Millionen Dollar an den Kinokassen einnehmen konnte. Bei einem Budget von 90 Millionen Dollar! Der teuerste Film in der Geschichte des geliebten Indie-Labels A24, das in den letzten Jahren Filme wie „Hereditary“ und „The Green Knight“ in die Kinos brachte, war von Anfang an ein riskantes Unterfangen. Immerhin inszeniert Robert Eggers hier nach „The Witch“ und „Der Leuchtturm“ erst seinen dritten Spielfilm und der Geschichtsliebhaber ist nicht gerade dafür bekannt, Filme für die breite Masse zu drehen. Und so avanciert „The Northman“ trotz starker Kritiken und einem Star-Ensemble um Alexander Skarsgård, Anya Taylor-Joy und Nicole Kidman leider zum Flop. Denn Eggers mystisch-angehauchtes und blutrünstiges Wikinger-Epos hätte so viel mehr verdient gehabt.

 

Nachdem der junge Thronfolger Amleth (Alexander Skarsgård) mit ansehen muss, wie sein Onkel Fjölnir (Claes Bang) seinen Vater und König Aurvandil (Ethan Hawke) ermordet, schwört er blutige Vergeltung. Als Erwachsener kommt er in seine isländische Heimat zurück und beginnt seinen hasserfüllten Rachefeldzug.

Trommeln. Trommeln in der Wildnis. Vom ersten bis zum letzten Trommelschlag trägt „The Northman“ ganz klar die Handschrift von Robert Eggers. Zwar gab der Regisseur zu, dass das Studio während der Produktion ein Wörtchen mitzureden hatte, seinem unverkennbaren Stil tut dies jedoch keinen Abbruch. Wie bereits bei seinen ersten beide Spielfilmen, ganz besonders beim großartigen „Der Leuchtturm“, schafft es Eggers sehr früh eine beeindruckende Atmosphäre zu kreieren. Dabei kommen viele Dinge zusammen: Zum einen wären da die atemberaubenden Bilder, die der 38-Jährige mit Hilfe seines Stamm-Kameramanns Jarin Blaschke auf die Leinwand bannt. Ganz egal, ob dabei ein muskelbepackter Alexander Skarsgård in die Kamera brüllt, die traumhaften Landschaften Islands in Szene gesetzt werden, die historisch möglichst akkurate Ausstattung in den Vordergrund gesetzt wird oder die fantasievollen mystischen Elemente Einzug halten. „The Northman“ ist zu jedem Zeitpunkt ein bildgewaltiges Werk. Dazu kommt die wieder einmal starke Inszenierung von Eggers zum Tragen, der angeführt durch den bereits angesprochenen treibenden Soundtrack und einem guten Gespür für die Länge einzelner Szenen für einen erstklassigen Flow und eine beeindruckende Atmosphäre sorgt. Lob haben auch die tollen Actionszenen verdient, die dank langer Einstellungen und mehreren Plansequenzen richtig viel hermachen und dabei stets die Übersicht im chaotischen Kampfgetümmel bewahren.

Leider kann die Geschichte mit der Inszenierung nicht ganz mithalten. Im Kern erzählt „The Northman“ nämlich eine simple Rachegeschichte, die ihren Hauptcharakter nach dem Mord an seinem Vater auf einen blutigen Rachefeldzug schickt. So weit, so gewöhnlich. Aufgepeppt wird die Einfachheit der Story mit zahlreichen mystischen Einflüssen und fantastischen Elementen, die allerdings gut zum Walhalla-Motto der Wikinger passen und sich nahtlos mit dem Rest des Films zusammenfügen. Allerdings gelingt es Eggers und seinem Drehbuchpartner Sjón nicht immer, die simple Geschichte zu kaschieren. So macht sich im Mittelteil, nachdem Amleth nach Island zurückkehrt, durchaus die eine oder andere Länge bemerkbar. Hier legt die berauschende Inszenierung eine kleine Pause ein, weswegen „The Northman“ sein hohes Niveau nicht durchgängig halten kann. Mit Beginn der letzten Stunde dreht Eggers die Regler seines Wikinger-Epos jedoch wieder voll auf und der düstere Film begeistert dann wieder bis zum bitteren Ende. Die außergewöhnliche Bildsprache und die knallharte Geschichte dürfte allerdings nicht jedem zusagen. Gerade bei weiblichen Zuschauerinnen kann ich mir gut vorstellen, dass sie dem brüllenden Machogehabe der Figuren nicht allzu viel abgewinnen können. „The Northman“ ist halt doch ein klassischer „Männerfilm“.

Die Riege der Darsteller*innen wird derweil von Alexander Skarsgård angeführt, der hier in einer extrem physischen Rolle eine hervorragende Figur abgibt. Sein muskulöser Körper ist der Grundstein für eine rohe Performance mit seinem wilden Charakter und Skarsgård muss nicht allzu viele Worte sprechen, um den Film problemlos auf seinen Schultern zu tragen. An seiner Seite stehen seine „Big Little Lies“-Ehefrau Nicole Kidman, die hier seine Mutter spielt (!), und Eggers-Veteranin Anya Taylor-Joy. Beide mit guten Leistungen, ohne sich jedoch in den Vordergrund zu spielen. Das gleiche lässt sich auch über Ethan Hawke und Willem Dafoe sagen, die eher kleine Rollen bekleiden. „The Northman“ ist eben durch und durch der Film von Alexander Skarsgård.

 

Fazit

Robert Eggers „The Northman“ ist ein berauschendes Wikinger-Epos, dass seinen Misserfolg an den Kinokassen nicht verdient hat. Angetrieben von unaufhörlichen Trommelschlägen begeistert Eggers neuestes Werk bereits von der ersten Sekunde an. Die atemberaubenden Bilder, die traumhaften Landschaften Islands und die grandiose Inszenierung sind ganz klar die größten Stärken des Films. Mit Amleths Ankunft in Island merkt man dem Film im Mittelteil jedoch seine recht simple Rache-Geschichte an und es schleicht sich durchaus die eine oder andere Länge ein. In der letzten Stunde dreht Eggers aber wieder voll auf und liefert ein enorm packendes und düsteres Finale ab. Dabei können sowohl die mystischen Elemente als auch die blutrünstige Action zu jeder Zeit überzeugen. Alexander Skarsgård führt den namhaften Cast an und liefert eine rohe sowie wilde Performance ab, die hervorragend zu seinem rachedürstenden Charakter passt. Mit Abstrichen im Mittelteil ist „The Northman“ ein faszinierendes Epos geworden, dass zwar nicht ganz an die Klasse von „Der Leuchtturm“ heranreicht, einen Platz in meiner Top 10 des Jahres aber jetzt schon sicher hat!

 

8/10


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Poster&Trailer: © A24