Chernobyl - Staffel 1

Staffelstart: 14.05.2019 | Anbieter: Sky Ticket | Episoden: 5 | FSK: 16 | Land: USA, GBR | Genre: Drama, HistorieOriginaltitel: Chernobyl


Kritik

Gerade noch musste sich der amerikanische Pay-TV-Sender HBO mit wütenden Reaktionen auf das für viele enttäuschende Serienfinale von "Game of Thrones" rumschlagen, nur um eine Woche später mit einer unscheinbaren Miniserie die Menschen wieder vollends zu begeistern. "Chernobyl" heißt der neueste Geniestreich von HBO, der aktuell bei über 200.000 Bewertungen auf eine 9,7 bei IMDb kommt. Platz 1 der besten Serien aller Zeiten! Wer jetzt denkt, die wahre Geschichte über das Reaktorunglück von 1986 wäre nur eine weitere viel zu gehypte Serie, der sollte sofort alles stehen und liegen lassen und sich "Chernobyl" anschauen. Die Serie von Showrunner Craig Mazin, der zuvor Komödien-Drehbücher wie "Hangover 2&3", sowie "Scary Movie 3&4" schrieb (was nicht gerade ein überzeugendes Bewerbungsschreiben ist), wird dem Hype in jeder Art und Weise gerecht. "Chernobyl" gelingt der perfekte Drahtseilakt zwischen spannendem Thriller, emotionalem Drama, sowie realistischer Dokumentation und ist nichts Geringeres als ein sprachlos machendes Meisterwerk!

 

"Chernobyl" besteht aus fünf Episoden mit einer Laufzeit zwischen 60 und 75 Minuten. Knapp fünf Stunden bleiben den Machern also um die Geschichte des verheerenden Reaktorunglücks aus dem Jahr 1986 nachzuerzählen, dessen Auswirkungen noch heute zu spüren sind. Von der weltberühmten Geisterstadt Prypjat, wo das Atomkraftwerk steht und erst 2017 eine neue Schutzhülle bekam, bis hin zu den Auswirkungen die hierzulande noch heute existieren. Entsprechend wird von Anfang bis Ende keine Sekunde verschwendet. Die Serie beginnt mit dem Selbstmord des Wissenschaftlers Valery Legasov, gespielt von Jared Harris, der später als Hauptcharakter der Geschichte dient. Danach geht es direkt zurück in die Nacht des Unglücks, von wo aus die Geschichte ihren Lauf nimmt. Von Anfang an erzeugt die Serie dabei eine bedrückende, ungemein düstere Stimmung. Die ungeschönte Realität kreiert eine beängstigendere Atmosphäre, als es jeder Horrorfilm erzeugen könnte. "Chernobyl" kann man gut als konstanten Schlag in die Magengrube beschreiben. Eine Serie die wütend macht auf die Lügen der Verantwortlichen und das politische System der Sowjetunion. Dennoch übertreibt es "Chernobyl" nicht mit überzogenen Anschuldigungen, denn Fehler wurden an vielen Fronten begangen. Trotzdem ist es ein ungeheurer Gänsehautmoment wenn Jared Harris in der letzten Episode klärt, wie der RBMK-Reaktor explodieren konnte.

Dabei ist es eine schmale Gratwanderung die "Chernobyl" betreibt. Die Serie ist so spannend aufbereitet wie ein Thriller, so emotional packend wie ein Drama und wirkt trotz allem noch wie eine Dokumentation. Craig Mazin leistet sich einfach keine Fehler. Jede Episode ist schlichtweg grandios und hat mich stets dazu animiert, nach jeder Episode noch nach den Hintergründen der Katastrophe im Internet zu recherchieren. Auch das Gleichgewicht zwischen menschlichem Drama, wissenschaftlichen Erklärungen und politischen Ausführungen bleibt immer bestehen. Es reichen vergleichsweise wenige Szenen um das politische System der Sowjetunion auseinander zunehmen und die eigentlich hochkomplexen Vorgänge im Inneren eines Atomreaktors werden stets verständlich dargestellt. Dazu pickt man sich einige menschliche Schicksale heraus, wie das vom führenden Wissenschaftler Valery Legasov oder dem leitenden Politiker Boris Shcherbina, die die beiden Hauptrollen in der Serie einnehmen. Daneben stehen die Schicksale von Lyudmilla Ignatenko, der Ehefrau eines der Feuerwehrmänner die zuerst am Einsatzort waren oder die einzige erfundene Figur Ulana Khomyuk, die stellvertretend für all jene Wissenschaftler steht, die um die Aufklärung des Unglücks kämpften. "Chernobyl" erzählt dabei noch weitere kleine und immer gelungene Geschichten, wie das vom jungen Pavel in Episode 4, der sich freiwillig entschloss zu helfen um dann verseuchte Haustiere wie Hunde und Katzen erschießen zu müssen. Es sind zahlreiche Szenen wie diese, die einfach betroffen machen.

Ein weiterer Grund für die hohe Glaubwürdigkeit der Serie ist die enorm hohe Produktionsqualität der Serie. Es ist schon beeindruckend wie viel Geld HBO selbst in eine solch vergleichsweise kleine Miniserie steckt. Doch der Mut von HBO zahlt sich wieder einmal aus. Von den Panoramaaufnahmen der heutigen Geisterstadt Prypjat, bis hin zu den hohen Rauchsäulen und Explosionen des Reaktors. Die Serie sieht unglaublich gut aus und verstärkt damit den Eindruck, sich eine Dokumentation anzusehen. Daneben begeistert die Inszenierung von Johan Renck, der alle Episoden der Serie inszeniert. Dieser ist vor allem als Regisseur von Musikvideos bekannt geworden, bringt hier die Schrecken der Katastrophe aber greifbar nahe und überzeugt auf ganzer Linie. Das gleiche lässt sich über die Schauspieler sagen. Die sehen ihren realen Vorbildern nicht nur ähnlich, sondern füllen ihre Charaktere auch mit Leben. Allen voran Jared Harris und Stellan Skarsgård sind eine Wucht und drücken der Serie von Anfang an ihren Stempel auf. 

 

Fazit

Es fällt mir ungemein schwer in Worte zu fassen, wie brillant "Chernobyl" wirklich ist. Die HBO-Miniserie erlaubt sich keinen Fehler. Es gibt nicht eine einzige Szene an der ich etwas zu kritisieren hätte oder die mir gar überflüssig erscheint. All die Entscheidungen die zu Stolpersteinen für eine Serie werden können, wie der Verzicht auf einen russischen Originalton oder zumindest einen russischen Akzent, sowie die erfundene Figur der Wissenschaftlerin, die stellvertretend für alle Wissenschaftler steht die zur Auflösung der Katastrophe beigetragen haben, funktionieren in "Chernobyl". Jedes Rädchen greift so perfekt ineinander wie ich es nur selten zuvor gesehen habe. Showrunner Craig Mazin gelingt der Drahtseilakt zwischen spannendem Thriller, emotionalem Drama und realistischer Dokumentation und erschafft damit ein Meisterwerk, welches seinem Hype vollkommen gerecht wird. Zumal der Serie auch die von HBO gewohnt hohe Produktionsqualität zu Gute kommt, sowie ein großartig aufgelegtes Schauspiel-Ensemble um Jared Harris und Stellan Skarsgård. Somit bekommt "Chernobyl" erst als fünfte Serien-Staffel überhaupt von mir die volle Punktzahl (Bislang bekamen lediglich "Game of Thrones" Staffel 4&6, sowie "Breaking Bad" Staffel 4&5 eine 10/10). Dieses Serien-Highlight darf man nicht verpassen!

 

10/10


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Poster&Trailer: © HBO