Watchmen - Staffel 1

Staffelstart: 04.11.2019 | Anbieter: Sky Ticket | Episoden: 9 | FSK: 16 | Land: USA | Genre: Action, Drama | Originaltitel: Watchmen


Kritik

Tick Tock. Größer hätten die Erwartungen an die neue HBO-Serie "Watchmen" kaum sein können. Der Comic wurde von der New York Times in die Liste der 100 wichtigsten literarischen Werke des 20. Jahrhunderts aufgenommen und die lange Zeit als unverfilmbar geltende Vorlage, bekam im Jahr 2009 eine herausragende Verfilmung spendiert. Zack Snyders Werk war zwar alles andere als unumstritten, unter anderem da der Regisseur das Ende des Comics leicht veränderte, für mich gehört "Watchmen" jedoch zu den besten Comicverfilmungen aller Zeiten. Jetzt wagt sich mit Showrunner Damon Lindelof kein Unbekannter an die Serienumsetzung. Der "Lost" und "The Leftovers"-Showrunner ist ein bekennender Fan des Comics und gehört dank seiner verschachtelten Storys zu den besten Showrunnern in Hollywood. Seine Vorliebe für Rätsel kommt auch in "Watchmen" wieder zum Tragen, in dem er den Zuschauer vor ein einziges Mysterium stellt, dass anfangs noch kaum einen Bezug zur Comicvorlage besitzt. Doch nach und nach entfaltet sich eine immer großartigere Handlung, die lediglich von einem zu braven Ende getrübt wird. Dennoch gehört "Watchmen" zu den faszinierendsten und besten Serien in diesem Jahr.

 

Die "Watchmen"-Serie ist keine Adaption des Comics, sondern ein Sequel mit zahlreichen neuen Figuren. Die Geschichte spielt in Tulsa, Oklahoma im Jahr 2019 und damit 34 Jahre nach den Ereignissen der Vorlage, in denen Adrian Veidt alias Ozymandias einen gigantischen Tintenfisch auf New York herabstürzen ließ und damit drei Millionen Menschenleben opferte um die Welt vor einem verheerenden Atomkrieg zu retten. Die Serie orientiert sich damit am Comic und nicht am Film dessen Ende, in dem Dr. Manhattan für die Taten verantwortlich gemacht wird, meiner Meinung nach deutlich passender und besser ist als aus dem Nichts einen ausserirdischen Tintenfisch zu teleportieren. Doch darum soll es nicht gehen, stattdessen lag mit der Veröffentlichung des ersten Trailers nahe, dass die Serie direkt an das Ende der Vorlage ansetzt. Wir erinnern uns: Ganz am Ende fiel Rorschachs Tagebuch in die Hände eines Journalisten, der dadurch die große Lüge hätte aufdecken können. Es sah im Trailer so aus, als würde sich die Sekte mit den Rorschach-Masken genau daran orientieren. Stattdessen ist die Verwirrung erst einmal groß, wenn die Sekte, die in der Serie "The Seventh Kavalry" genannt wird, eine Ku-Klux-Klan ähnliche Gruppierung darstellt. Rassismus ist eines der großen Themen der "Watchmen"-Serie und nicht die einzige Neuerung die Comicfans in Kauf nehmen müssen. Statt die altbekannten Charaktere der Minutemen wiederzusehen, handelt die Serie von neuen Figuren wie der Polizistin Angela Abar (Regina King) alias Sister Night und Polizeichef Judd Crawford (Don Johnson). Nach der sogenannten "White Night", in der Mitglieder der extremistischen "Seventh Kavalry" mehrere Mordanschläge auf die Polizisten Tulsas verübt hatten, tragen die Polizisten nun allesamt Masken um ihre Identität und Familien zu schützen. Damon Lindelof war sich der extremen Neuausrichtung der Serie durchaus bewusst und formulierte noch vor Serienstart einen offenen Brief an alle "Watchmen"-Fans, die er darin um Geduld bittete. Und tatsächlich. Im Laufe der Staffel kehre einige bekannte Charaktere aus der Vorlage zurück, auch der allmächtige Dr. Manhattan, und etliche Handlungen der Comicvorlage werden aufgegriffen. Es lohnt sich also diese Geduld aufzubringen, zumal Lindelof-Typisch die Handlung nur wenig Sinn ergibt und unzählige Fragen gestellt werden. Anders als im enttäuschenden "Lost"-Finale werden jedoch fast alle Fragen im Laufe der Zeit beantwortet. Daraus ergibt sich insbesondere im Mittelteil eine extrem spannende und befriedigende Konstellation, dank der man gerne miträtselt. "Watchmen" ist zu keiner Zeit frustrierend sondern wirft genügend Brotkrumen aus und überzeugt durch etliche Überraschungen und Wendungen. So mutig wie die Staffel jedoch beginnt, so brav ist ihr Ende. ich möchte an dieser Stelle natürlich so wenig wie möglich über die Handlung verraten, die Art wie alle Fäden am Ende zusammenlaufen ist jedoch etwas zu unspektakulär und war mir persönlich zu vorhersehbar. Dazu hat mir die vorletzte Episode sehr missfallen, in der zum einen nur Exposition betrieben wird, die Haupthandlung eine Episode vor Ende kaum Fortschritte macht und ein Charakter der Comicvorlage etwas verwässert wird und Out-of-Character agiert. Letzten Endes ist es meckern auf hohem Niveau, denn insgesamt ist die starke Handlung das Aushängeschild der Serie.

Was die Inszenierung angeht, muss sich kein Zuschauer sorgen machen. Immerhin verantwortet HBO die Produktion der Serie, die wohl weiterhin die qualitativ hochwertigsten Produktionen der Serienwelt veröffentlichen. Entsprechend gelungen ist der hochwertige Look der Serie, die auch vor großen Actionszenen und Effekten nicht zurückschreckt und zu jeder Zeit glaubwürdig aussieht. Mit einer Ausnahme: Ausgerechnet Dr. Manhattan sieht wahnsinnig Fake aus. Der blaue Look geht insgesamt in Ordnung, doch sobald der Superheld zu glühen beginnt, mutiert "Watchmen" zum B-Movie. Warum der Look von Dr. Manhattan nicht funktioniert liegt auf der Hand: Keine der Oberflächen oder Gesichter wird von Manhattan blau angestrahlt. Durch die mangelnde Lichtsetzung wirkt Dr. Manhattan wie ein Fremdkörper im Bild, das hat die Verfilmung von Zack Snyder damals deutlich glaubwürdiger hinbekommen.

Viel überzeugender ist die exzellente Besetzung der Serie. Die Hauptrolle der schwarzen Polizistin Angela Abar, mit ihrem absoluten Bad-Ass-Alter Ego Sister Night, übernimmt Regina King. Ein Jahr nach ihrem Oscargewinn für "Beale Street", spielt die Schauspielerin erneut groß auf und meistert die Aufgabe der Hauptdarstellerin bravourös. An ihrer Seite steht "Aquaman"-Bösewicht Yahya Abdul-Mateen II als ihr Ehemann Cal Abar, Tim Blake Nelson als ihr Arbeitskollege Wade Tillman alias Looking Glass (oder noch besser Mirror Guy) und "Django Unchained"-Star Don Johnson als Angelas Vorgesetzter und bester Freund Judd Crawford. Die Besetzung wird abgerundet durch zwei große Namen: Die dreifache Emmypreisträgerin Jean Smart ("Fargo") wird als resolute Ermittlerin nach Tulsa geschickt und macht jede Szene in der sie zu sehen ist absolut großartig. Für ein einziges Fragezeichen sorgen die absurden Szenen mit Oscarpeisträger Jeremy Irons, der als Master eines abgelegenen Herrenhauses für ungläubiges Staunen und humoristische Einschübe sorgt. Doch keine Sorge. So verwirrend die Szenen mit Irons anfangs auch sein mögen, am Ende ergibt alles einen Sinn!

 

Fazit

"Watchmen" wird vielen Fans der Comicvorlage erstmal vor den Kopf stoßen, denn anfangs erinnert kaum etwas an die legendären Comics und ihre herausragende Verfilmung. Zuschauer die geduldig bleiben werden jedoch belohnt, denn im Laufe der Staffel tauchen immer mehr bekannte Charaktere und Handlungen aus dem Comic auf. Die starke Handlung wirft etliche Fragen auf und lädt zum Rätseln ein, anders als bei "Lost" werden diese Fragen aber auch ausreichend beantwortet. Lediglich die letzten beiden Episoden hinterlassen einen faden Beigeschmack und waren mir insgesamt zu brav, nachdem die Staffel so mutig und unkonventionell begonnen hatte. Letztlich schrammt "Watchmen" dadurch doch noch an einer 9/10 vorbei, doch die spannende Handlung, der hochwertige Look und die herausragenden Darsteller machen "Watchmen" trotzdem zu einer der faszinierendsten Serien des Jahres.

 

8/10


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Poster&Trailer: © HBO