Staffelfinale: 23.04.2021 | Anbieter: Disney+ | Episoden: 6 | FSK: 12 | Land: USA | Genre: Action, Drama
Kritik
Kaum ist "WandaVision", die erste Serie des Marvel Cinematic Universe, zu Ende gegangen, kommt mit "The Falcon and the Winter Soldier" direkt die nächste um die Ecke. Statt neun kurzen Episoden, besteht das neueste MCU-Abenteuer aus sechs ca. 50 Minuten langen Episoden und dreht sich um die beiden "Avengers" aus der zweiten Reihe, Sam und Bucky. Meine Begeisterung für die zweite Disney+ Serie von Marvel hält sich jedoch in Grenzen. Nach dem starken Auftakt mit "WandaVision" wirkt "The Falcon and the Winter Soldier" so, als hätte man den Geschichten der beiden Charakteren nicht wirklich etwas hinzuzufügen. Folglich enttäuscht das Abenteuer der beiden.
"The Falcon and the Winter Soldier" setzt wie "WandaVision" nach den Ereignissen von "Avengers: Endgame" ein. Dort vermachte der gealterte Steve Rogers alias Captain America, Sam Wilson aka The Falcon seinen Schild. Dieser hat fortan mit dem schweren Erbe des Supersoldaten zu kämpfen. Bucky Barnes alias The Winter Soldier kämpft hingegen mit seinen eigenen Dämonen. Nachdem er in den drei "Captain America"-Filmen die Wandlung zum Bösewicht und wieder zurück vollzog, hat es der Mann mit dem Metallarm schwer mit seinen vergangenen Taten zurechtzukommen. Gemeinsam bestreitet das Duo den Kampf gegen eine terroristische Supersoldaten-Gruppierung und eine Reise zu sich selbst.
"The Falcon and the Winter Soldier" wirkt dabei mehr wie eine Fortsetzung der "Captain America"-Filme, da sich der Film stilistisch und atmosphärisch an den letzten beiden Teilen der Russo-Brüder orientiert und mehr düsteren Agenten-Thriller als buntes Popcorn-Spektakel liefert. Dazu bekamen die beiden Hauptcharaktere in den drei Filmen sowohl ihre Einführung als auch die meiste Spielzeit eingeräumt, wodurch die Entscheidung durchaus treffend wirkt. Das große Problem daran ist lediglich, dass die MCU-Serie scheinbar mit den beiden etablierten Charakteren nichts mehr anzufangen weiß. Anthony Mackie als Falcon gehörte schon immer zu den uninteressantesten Charakteren des Franchise und die Serie, die ohnehin nur dazu da ist ihn als neuen Captain America zu etablieren, wäre die perfekte Gelegenheit gewesen, dem Charakter mehr Tiefe spendieren. Stattdessen sehen wir die Schwester des Helden die mit dem Boot ihrer Eltern im Zahlungsrückstand ist. Eine spannende Geschichte sieht anders aus und "The Falcon and the Winter Soldier" vermag seinem wichtigsten Charakter nichts neues abzugewinnen. Das gleiche gilt allerdings auch für Sebastian Stan als Winter Soldier. Hier ist die Ausgangsposition jedoch eine andere: Bucky hat bereits eine mehrere Filme überspannenden Arc bekommen, der ihn im starken "The Return of the First Avenger" sogar zum Hauptbösewicht machte. Generell machte ihn seine tragische Geschichte und seine Freundschaft zu Steve Rogers zu einem der stärksten "Avengers" aus der zweiten Reihe. Das ändert sich mit der Serie zwar nicht, jedoch wirkt seine Geschichte schlicht auserzählt. Der Winter Soldier darf noch etwas über seine Vergangenheit grüben und Sam auf seinem Weg unterstützen, mehr weiß die Serie jedoch nicht mit dem sympathischen Charakter anzufangen. Eine der großen Stärken von "WandaVision" war eben die Charakterentwicklung von Wanda, die deutlich mehr Tiefe durch die Serie gewann und dadurch sogar zu einem der spannendsten Charaktere des MCU heranreifen durfte. Eine solche Entwicklung gibt es bei "The Falcon and the Winter Soldier" leider nicht, was gerade bei Sam Wilson dringend nötig gewesen wäre.
Und so sind es wenn überhaupt die Nebencharaktere die von der Serie profitieren. Allen voran Daniel Brühl, der nach "Captain America: Civil War" wieder in die Rolle von Bösewicht Baron Zemo schlüpft und dabei eine starke Figur abgibt (inklusive kultiger Tanzszene). Aber auch der neue, von der Regierung ins leben gerufenen, Captain America John Walker (gespielt von Wyatt Russell) weiß anfangs zu überzeugen und bekommt sogar die denkwürdigste Szene der Serie (und düsterste Szene des MCU) spendiert. Allerdings verliert sein Charakter in den letzten beiden Episoden viel von seiner Faszination, da die Drehbuchautoren ihm ein äußerst ungelenkes Ende spendieren. Noch viel schlimmer trifft es jedoch Sharon Carter die einen völlig abstruse Handlungsstrang bekommt, der überhaupt keinen Sinn ergibt und Supersoldatin und Bösewicht Karli Morgenthau, deren Motivation nie richtig ersichtlich wird und sich problemlos zu den schlechtesten MCU-Bösewichten gesellt. Das Drehbuch ist und bleibt die größte Schwäche von "The Falcon and the Winter Soldier". Natürlich sind die Marvel-Drehbücher nie auf Oscar-Niveau, trotzdem ist man aus dem MCU zumindest nachvollziehbareres gewohnt. Jedoch kommt die Hauptstory nie wirklich in Fahrt, die Serie weiß zu wenig mit seinen Charakteren anzufangen und gerade am Ende wird die Serie zu politisch. Die Botschaften rund um einen schwarzen Captain America sind zwar richtig und wichtig, werden dem Publikum aber mit dem Holzhammer eingebläut. Das hat "Black Panther" deutlich subtiler und besser hinbekommen. Ohnehin gibt es in den letzten beiden Episoden gleich mehrere Szenen die einfach nicht funktionieren. Ohne zu viel zu verraten: Wieso sollte ich plötzlich etwas für den blassen Bösewicht empfinden? Warum endet die letzte Szene mit dem Winter Soldier und dem Vater des ermordeten Jungen so schnell? Und viele weitere Szenen die einfach nicht funktionieren wollen.
Während die schwachen Drehbücher für deutliche Kritik meinerseits sorgen , ist trotzdem nicht alles schlecht an "The Falcon and the Winter Soldier". Die verbalen Scharmützel zwischen den beiden Hauptcharakteren sind unterhaltsam und die Serie weiß vor allem mit einzelnen Szenen zu punkten. Kurzweilig wird die Serie jedoch vor allem durch ihre Action-Szenen die definitiv gelungen sind. Zwar inszeniert Kari Skogland, die Regisseurin aller sechs Episoden, die Action manchmal etwas zu schnell und hektisch, insgesamt ist die kinoreife Inszenierung jedoch definitiv ein Pluspunkt der Serie. Das gilt gleichermaßen für die unglaublich rasanten und spektakulären Kämpfe des Falcon in der Luft, aber auch für die Handkanten-Action am Boden. Hier macht "The Falcon and the Winter Soldier" einfach Spaß und lässt zumindest kurzfristig die Verwunderung über die schwachen Drehbücher verfliegen.
Fazit
Im Vergleich zu "WandaVision" (8/10), dem starken Serienauftakt des MCU, verkommt "The Falcon and the Winter Soldier" leider zur Enttäuschung. Die rasante Action und einige tolle Einzelmomente können schlichtweg nicht über die schwachen Drehbücher hinweg täuschen. Während Wanda in ihrer Serie zu einem der spannendsten Charaktere des gesamten MCU gereift ist, versäumt es die neue Serie ihren Hauptcharakteren mehr Tiefe zu verleihen. The Falcon bleibt einer der uninteressantesten Charaktere des MCU und die Geschichte des eigentlich tollen Winter Soldiers ist schlichtweg auserzählt. Dazu kommt auch die Hauptstory nicht wirklich in die Gänge, da die Motivation des schwachen Bösewichts nie wirklich greifbar ist und sich die Serie, gerade gegen Ende, einige grobe Schnitzer und faule Abkürzungen erlaubt. Was bleibt also am Ende von der Serie? Eine zwei Sekunden lange Tanzszene von Daniel Brühl, die direkt zum Kult wurde und ein starkes letztes Bild am Ende der vierten Episode. Mehr leider nicht. Und so muss man "The Falcon and the Winter Soldier" aller Kurzweiligkeit zum Trotz, leider attestieren, dass es die Serie eigentlich nicht gebraucht hätte.
6/10
Poster&Trailer: © Walt Disney