Staffelfinale: 05.03.2021 | Anbieter: Disney+ | Episoden: 9 | FSK: 12 | Land: USA | Genre: Action, Komödie
Kritik
Im Juli 2019 gab es das letzte Lebenszeichen des Marvel Cinematic Universe. Nach dem großen Finale von "Avengers: Endgame", der zwischenzeitlich zum erfolgreichsten Film aller Zeiten avancierte (ehe sich "Avatar" zuletzt die Krone zurückholte), schloss "Spider-Man: Far From Home" die dritte Phase des MCU ab. Dass wir inzwischen über eineinhalb Jahre auf die vierte Phase warten müssen, ist natürlich der Corona-Pandemie geschuldet, die das Startdatum von "Black Widow" und Co. immer weiter nach hinten schob. Gefühlt ist es für Marvel jedoch gar nicht so schlecht, dass nach dem großen Finale etwas Zeit verging, ehe man sich neuen Helden und neuen Geschichten zuwenden konnte. So freut man sich jetzt umso mehr, wenn es wieder neue Geschichten gibt. Den Anfang macht dadurch die erste MCU-Serie. Marvel-Serien sind zwar nichts ungewöhnliches, doch "WandaVision" ist die erste Serie die direkte Auswirkungen auf das Filmuniversum hat und damit zum MCU dazugehört. Wem die insgesamt 23 Filme des MCU also noch zu wenig sind, der darf sich nun noch durch zahlreiche Serien auf Disney+ gucken. Wenn diese qualitativ auf dem Niveau von "WandaVision" bleiben, dürfte das jedoch kein allzu großes Problem darstellen.
Wir erinnern uns: In "Avengers: Age of Ultron" wurde Wanda Maximoff zusammen mit ihrem Zwilling Quicksilver eingeführt, der im selben Film noch das zeitliche segnete. Vision feierte ebenfalls im zweiten "Avengers"-Film seine Premiere, in dem Tony Starks K.I. J.A.R.V.I.S mit Hilfe des Gedankensteins zum Leben erweckt wurde. Daraufhin entwickelte sich eine Liebe zwischen dem Androiden und der Telepathin, die im Finale von "Avengers: Infinity War" im wahrsten Sinne des Wortes zerbrach, als Wanda Visions Infinity Stein zerstörte, Thanos die Zeit zurückdrehte und Vision tötete. Umso überraschter ist man jetzt, den Androiden offenbar putzmunter wiederzusehen. in "WandaVision" führen die beiden nämlich eine scheinbar perfekte Beziehung in der idyllischen Kleinstadt Westview, doch irgendetwas scheint hier nicht mit rechten Dingen zuzugehen. Immerhin ist das Leben der beiden eine reale Sitcom und auch sonst gibt es einige Ungereimtheiten.
Zuallererst muss man Marvel für seinen Mut loben. Die ersten Episoden von "WandaVision" sind nämlich anders als alles was bisher im MCU zu sehen war. Die Serie startet als klassische Sitcom der 50er-Jahre, passend dazu im 4:3-Format und in Schwarz-Weiß. Mit dem gigantischen CGI-Eskapismus der Filme hat die Serie also erst einmal nichts am Hut. Trotzdem fällt der Einstieg schwer, gerade wenn man, wie ich, mit Sitcom nichts anzufangen weiß. Die eingespielten Lacher sind wie immer absolut nervtötend und auch hinsichtlich der großen Story passiert nicht viel. immerhin werden in den ersten Episoden immer wieder Hinweise eingestreut, dass hier etwas nicht stimmt. Entsprechend fiel es mir trotz allem leicht am Ball zu bleiben, da ich wusste, dass die Serie nicht lange eine Sitcom bleiben wird. Und tatsächlich: Ab Episode 4 lässt "WandaVision" alle Erklärungen folgen, inklusive einiger gelungener Wendungen. Dazu feiern viele bekannte MCU-Charaktere ihre Rückkehr (und vielleicht sogar ein Charakter aus einem anderen Universum) und auch die Action kommt nicht zu kurz. Nach dem schwierigen Auftakt brennt "WandaVision" also ein richtiges Feuerwerk in den letzten sechs Episoden ab, die mir persönlich eine Menge Spaß bereitet haben. Es wird nicht nur Bezug auf "Avengers 2&3" genommen, sondern auch auf "Captain Marvel" und es zeigt sich wieder einmal, was für eine perfekt geölte Maschine dieses MCU unter der Leitung von Kevin Feige einfach ist. Und so macht es großen Spaß der Fortführung des MCU in Serienform beizuwohnen. Zumal gerade Wanda ungemein von der Serie profitiert. Ihre Einführung in "Avengers 2" war etwas uninspiriert und auch ihre Beziehung zu Vision und ihre Vergangenheit blieben bisher eher eine Randnotiz. Jetzt bekommt ihr Charakter deutlich mehr Tiefe und Wanda steigt von einem C-Avenger zum A-Avenger auf, so gelungen ist ihre Geschichte. Die MCU-Serien könnten also das perfekte Vehikel sein um die kleineren und unbekannteren Helden zu pushen. Nicht umsonst steht mit "The Falcon and the Winter Soldier" direkt die nächste Serie über zwei kleinere "Avengers" in den Startlöchern. Der Blick in "WandaVison" hat sich auf jeden Fall gelohnt, da die Serie nicht nur ihren Charakteren hilft, sondern auch die übergreifende Handlung des MCU nach vorne bringt. Was jedoch genau in den letzten sechs Episoden passiert, sollte jeder selbst herausfinden.
Eine Anmerkung sei mir jedoch erlaubt: "WandVision" ist mit seiner Kreativität und dem deutlich kleineren Maßstab (endlich muss mal nicht die ganze Welt oder das ganze Universum gerettet werden) eine willkommene Abwechslung nach den großen Schlachten vorangegangener Filme, auch wenn (gerade im Staffelfinale) nicht alles funktioniert. Trotzdem müssen Zuschauer nicht auf Actionszenen verzichten. Gerade am Ende gibt es einige große Actionszenen zu sehen, die dank des hohen Produktionsbudgets den Filmen in nichts nachstehen. Auch dadurch wirkt "WandaVision" einfach wie ein überlanger Film. Die Geschichte wird in neun ca. 30-minütigen Episoden erzählt und dauert abzüglich des sieben Minuten langen Abspanns, knapp fünf Stunden. Das Budget von 100-150 Millionen Dollar (was in etwa auf "Game of Thrones"-Niveau liegt) sorgt für gelungene Effekte und einen gewohnt hochwertigen Look. Und wo wir schon bei der Kreativität waren: Regisseur Matt Shakman, der sämtliche Episoden inszeniert, darf sich hier vollends austoben. Da jede Episode in einem anderen Sitcom-Jahrzehnt spielt gibt es gleich mehrere Serienintros, die alle ihrer jeweiligen Zeit angepasst sind und des Öfteren auch einen Fake-Werbespot zu sehen, mit Produkten von Stark Industries und Hydra. Auch wenn nicht alles funktioniert, so hat man sich trotz allem Mühe gegeben den Serienauftakt des MCU als etwas besonderes zu inszenieren.
Fazit
Nach über eineinhalb Jahren Corona-Pause und nachdem ich mich mit "Wonder Woman 1984" und "Zack Snyder's Justice League" durch das chaotische DCEU gekämpft habe, merke ich doch wie sehr ich diese perfekt geölte Maschine des MCU vermisst habe. Der Start in die vierte Phase des Franchise ist anfangs etwas holprig, da ich mit Sitcoms rein gar nichts anfangen kann. Dranbleiben lohnt sich aber, denn ab Episode 4 nimmt "WandaVision" deutlich an Fahrt auf, erklärt sämtliche seiner Mysterien und kann dank einiger gelungener Wendungen und Rückkehrern überzeugen. Dazu hilft die Serie vor allem Wandas Charakter, die deutlich mehr Tiefe bekommt und dadurch von einem der schwächsten Marvel-Charaktere zu einem der interessantesten aufsteigt. Dank des hohen Budgets steht die knapp fünf Stunden lange Serie den Kinofilmen in nichts nach und kann sogar mit vielen kreativen Ideen und einem kleineren Maßstab punkten, auch wenn nicht alle Elemente der Serie funktionieren. Am Ende bin ich also überraschend angetan von der ersten MCU-Serie und hoffe, dass die weiteren Serien auf Disney+ dieses Niveau halten können.
8/10
Poster&Trailer: © Walt Disney