Staffelstart: 27.05.2022 | Anbieter: Disney+ | Episoden: 6 | FSK: 12 | Land: USA | Genre: Sci-Fi, Abenteuer
Kritik
Wie sich die Zeiten geändert haben! Als George Lucas zwischen 1999 und 2005 seine Prequel-Trilogie in die Kinos brachte, zog der Vater des Franchise jede Menge Unmut mit seinen umstrittenen Filmen auf sich. Heute werden Ewan McGregor und Hayden Christensen auf der Promo-Tour zur neuen Disney-Plus-Serie „Obi-Wan Kenobi“ gefeiert. Was sich geändert hat? Schwer zu sagen. Vielleicht erachten viele die Prequel-Trilogie im Vergleich zu den Sequels als das geringere Übel an oder die jungen Leute von damals, die mit den Prequels aufgewachsen sind und damals noch keine Stimme hatten, halten die Trilogie doch für besser, als es die Negativstimmen vermuten ließen. Ich selbst gehöre definitiv zu beiden Gruppen, immerhin bin ich alles andere als angetan von den Sequels und „Die Rache der Sith“ war damals mein erster „Star Wars“-Film den ich im Kino gesehen habe. Und bei aller (durchaus berechtigten) Kritik an den ersten beiden Teilen: „Episode III“ war für mich schon immer ein düsteres Meisterwerk, dass zu meinen Lieblingskapiteln der Sternenkrieger-Saga gehört. Entsprechend gespannt bin ich nun auf „Obi-Wan Kenobi“, die mit ihrem grandiosen Trailer für pure Nostalgie und einen großen Hype sorgte. Ob die „Star Wars“-Serie von Deborah Chow den hohen Erwartungen gerecht werden kann, werden die nächsten Wochen zeigen. Denn erstmals seit der achten Staffel von „Game of Thrones“ werde ich wieder eine Serie mit wöchentlichen Recaps begleiten. Also Vorsicht Spoiler, denn ich gehe bei jeder Folge auf die Handlung ein.
Episode 1 - 6/10
„Obi-Wan Kenobi“ beginnt mit einem tollen Rückblick auf die Ereignisse der Prequel-Trilogie und einem erstklassigen Cold-Opening mit der Order 66, von der ich einfach nie genug bekommen werde. Nach einem Zeitsprung von zehn Jahren setzt die eigentliche Geschichte ein und die Pilotepisode verflacht zusehends. Das liegt hauptsächlich am Prolog-Charakter der Folge, die Obi-Wans bzw. Bens (Ewan McGregor) tristes Leben auf Tatooine zeigt. Interessant wird es für den Einsiedler erst, als die Inquisitoren des Imperiums eintreffen, die sich auf der Jagd nach einem Jedi (Benny Safdie) befinden. Diese bedrohen nicht nur Luke Skywalkers Ziehvater Owen Lars (Joel Edgerton), eine von ihnen, die dritte Schwester Reva (Moses Ingram), scheint zudem eine ganz besondere Obsession für Obi-Wan zu besitzen. Der Einstieg in die neue „Star Wars“-Serie hinterlässt zunächst einen etwas holprigen Eindruck. Um den griesgrämigen und von Albträumen geplagten Obi-Wan innerhalb von knapp 50 Minuten wieder zum Jedi zu machen, muss scheinbar ganz schön tief in die Trickkiste gegriffen werden und das Drehbuch wirkt doch sehr konstruiert. Umso schwerwiegender fällt dieser Umstand im zweiten Handlungsort des Piloten auf, der eine junge Leia Organa (Vivian Lyra Blair) auf Alderaan zeigt. Der gesamte Entführungsplot mit ihren abstrusen Entführern und einer Verfolgungsjagd durch den Wald wirkt eher unfreiwillig komisch und ist letztlich auch nur Mittel zum Zweck. Die erste Episode kann den im Vorfeld hohen Erwartungen dadurch noch nicht gerecht werden.
Episode 2 - 7/10
Besser gelingt das der zweiten Episode, die mit 38 Minuten deutlich kürzer daherkommt. Auf der Suche nach Leia zieht es Obi-Wan dem Himmel sei dank vom sandigen Wüstenplaneten weg und wir sehen endlich auch mal andere Schauplätze in einer „Star Wars“-Serie als Tatooine. Was folgt, ist eine einzige Verfolgungsjagd im Verborgenen, die zwar nicht sonderlich spektakulär daher kommt, dabei aber mit zwei überraschenden Wendungen aufwarten kann. Gut, dass Hayden Christensen am Ende der Episode als Darth Vader zu sehen sein würde, war abzusehen, dass Obi-Wan nichts vom Überleben seines ehemaligen Schülers wusste, kam für mich jedoch sehr überraschend. Dass er als Einsiedler auf Tatooine nicht viel von der Welt mitbekommt, scheint mir aber eine schlüssige Erklärung zu sein. Während die finale Szene mit Vader im Bacta-Tank für Gänsehaut und Vorfreude auf nächste Woche sorgt, stören sich viele Fans der Animationsserien am überraschenden Ableben des Großinquisitors, der hier für die Charakterentwicklung von Reva geopfert wird. Da ich die Animationsserien nie gesehen habe, stört mich sein Tod weniger und ich bin viel eher gespannt, wie sich Reva gegen die überlebensgroßen Obi-Wan und Vader in den nächsten Wochen behaupten kann. Insgesamt ist die zweite Folge die rundere Episode und „Obi-Wan Kenobi“ legt damit einen guten Serienstart hin, ohne sein Potenzial auszuschöpfen. In Sachen Produktionsqualität kann die Serie übrigens auch überzeugen, wie auch bei der Story gilt es hier jedoch die großen Actionszenen der nächsten Wochen abzuwarten, um ein endgültiges Urteil zu fällen.
Episode 3 - 8/10
Einen Tag später als geplant folgt meine Recap zur dritten Episode, da mich Disney+ mit dem Veröffentlichungszyklus überrascht hat und die Folgen nicht länger am Freitag, sondern nun doch am Mittwoch erscheinen. Die Premiere von „Obi-Wan Kenobi“ hat derweil den erfolgreichsten Serienstart der Disney-Plus-Geschichte hingelegt, allerdings auch rassistische Anfeindungen gegen Reva-Darstellerin Moses Ingram herbeigeführt, auf die Ewan McGregor die passende Antwort fand. Nach ihrer etwas holprigen Einführung zeigt sich Reva in dieser Woche aber verbessert und die dunkle Seite hinterlässt einen starken Eindruck. Die düstere Rückkehr von Darth Vader, von seinem epischen Sitz auf Mustafa bis zu seinem gnadenlosen Umgang mit einem Dorf, ist mehr als gelungen. Dass die beiden Hauptfiguren bereits in dieser Folge aufeinandertreffen würden, habe ich zudem nicht erwartet, das einseitige Duell zwischen Prime-Vader und dem gealterten Obi-Wan hat gerade mit der Feuer-Szene am Ende aber einige Highlights zu bieten. Dennoch erhoffe ich mir im Verlauf der Serie ein etwas schwungvolleres Lichtschwert-Duell zwischen den beiden. Im Gegensatz zu den vor allem in Deutschland zu vernehmenden Negativ-Stimmen kann ich der dritten Episode dabei kaum etwas ankreiden, da auch Leia und Ben eine wunderbare Chemie besitzen und ihr Ausflug einen gehörigen Spannungsaufbau hinlegt. Einzig Obi-Wans Flucht entbehrt am Ende jeglicher Logik, bisher kann sich die Serie jedoch mit jeder Episode steigern.
Episode 4 - 7/10
Nach dem großen Aufeinandertreffen zwischen Obi-Wan und Vader in der vergangenen Woche standen die Zeichen eigentlich auf eine ruhigere Episode. Doch Deborah Chow und ihr Team drücken weiter auf das Gaspedal und inszenieren eine rasante Rettungsaktion von Leia, die am Ende der dritten Folge von Reva geschnappt wurde. Drei Dinge konnte ich dabei in dieser Folge bzw. den letzten beiden Wochen beobachten: Die Handlung wirkt manchmal etwas zu gehetzt, Reva läuft zum wiederholten Male erfolglos unseren Helden hinterher (Hier erwarte ich langsam eine Eskalation) und Hayden Christensen hat bislang kaum etwas zu tun gehabt, da er lediglich im Vader-Kostüm steckt (Die Original-Stimme von James Earl Jones klingt dafür aber auch einfach fantastisch). Letzten Endes stört mich aber weiter nur wenig an der neuen „Star Wars“-Serie, die dank Virus-Lola auf die nächste actiongeladene Folge zusteuert. Leerlauf gibt es bisher ohnehin nicht. Und dann muss ich noch über einen Aspekt der Serie reden, der in den letzten Wochen viel zu kurz kam. Nachdem die MCU-Serien um „Moon Knight“ visuell nicht immer den besten Eindruck hinterlassen haben, kann man Deborah Chow und ihrem Team nur gratulieren. Die Sets sehen absolut großartig aus, die Effekte sind von den Kinoabenteuern nicht zu unterscheiden und die Serie weiß ihre Lichtschwerter effektiv einzusetzen. All das führt zu einem sehr hochwertigen und stimmigen Look sowie einer gelungenen Episode, die nur knapp unter dem Niveau der Vorwoche liegt.
Episode 5 - 8/10
Während ich mich durch die sehr weit auseinandergehenden Stimmen wühle, die „Obi-Wan Kenobi“ zur vielleicht kontroversesten Serie des Jahres machen, frage ich mich immer noch, ob ich eine andere Serie sehe als diejenigen, die das Werk sehr negativ aufnehmen oder ob es an meiner Liebe zur Prequel-Trilogie aus Kindheitstagen liegt, dass ich die scharfe Kritik an der Serie nicht nachvollziehen kann. Fakt ist, „Obi-Wan Kenobi“ liefert für mich in dieser Woche die zweitbeste Episode der Staffel ab. Sicher wirkt das Ende mit der erneuten Flucht vor Darth Vader und das Überleben von Reva (Hier würde ich mir mehr Konsequenz wünschen) wieder sehr konstruiert, dafür liefert Deborah Chow aber eine Folge voller Gänsehautmomente ab. Endlich sehen wir mal eine Rückblende mit Obi-Wan und (einem viel zu alt aussehenden) Anakin die gut in den Kontext der Episode eingebaut wird, Reva bekommt eine sinnige Hintergrundgeschichte spendiert (inklusive einigen gelungenen Wendungen) und Vader darf sich in dieser Episode auch so richtig austoben! Chow und ihr Team halten die Spannung, das Spektakel und den Unterhaltungswert weiter hoch, während ich nun gespannt in Richtung Staffelfinale blicke. Gibt es ein finales Duell zwischen Obi-Wan und Vader? Welche Rolle wird der Großinquisitor spielen? Und vor allem, wie wird die Situation um Reva (die als Einzige sterben kann) und Jüngling Luke auf Tatooine ausgespielt werden? Fragen über Fragen, die trotz des Prequel-Charakters der Serie für ein interessantes Finale sorgen dürften.
Episode 6 - 7/10
Nach der letzten Woche hatte ich einige Fragen, was das Finale der umstrittenen „Star Wars“-Miniserie angeht und die werden auch allesamt beantwortet. Während der Großinquisitor nach seiner Rückkehr überhaupt keine Rolle im Finale spielt, kommt es nach 15 Minuten des Spannungsaufbaus noch mal zum großen Rematch zwischen Obi-Wan und Vader! Anders als in der dritten Episode scheint der Jedi seine Macht wiedererlangt zu haben und wir erleben ein leider zwar sehr kurzes, dafür aber auch sehr gelungenes Lichtschwert-Duell. Von denen gab es unter Disney ohnehin viel zu wenige zu sehen und wenn fielen sie nur selten überzeugend aus. Am Ende stellt sich trotzdem die Frage, wieso Obi-Wan seinen ehemaligen Schüler nicht niederstreckt. Zum einen hat er in Folge 3 gesehen, was Vader in dem Dorf angerichtet hat, zum anderen realisiert er im toll gelösten Gespräch mit Anakin, dass nicht länger sein Schüler vor ihm steht. Da er ihn dann erstmals „Darth“ nennt, wirkt sein plötzlicher Abschied nicht sehr elegant gelöst. Die dritte und letzte Frage aus der Vorwoche betraf Revas Aufeinandertreffen mit Luke, dass leider so vorhersehbar abläuft wie vermutet. Während sie ursprünglich durch die Hand von Vader sterben sollte, wird zudem ein Spin-off über ihre geläuterte Figur vorbereitet. Obwohl ich den Hass gegenüber Reva nie verstanden habe, muss ich zugeben, dass sich mein Interesse um ein Spin-off stark in Grenzen hält. Der emotionale Abschied von Leia sowie die Gastauftritte von Ian McDiarmid und Qui-Gon-Darsteller Liam Neeson, versüßen einem das vorhersehbare aber sehenswerte Finale trotzdem.
Fazit
Keine Serie hat in diesem Jahr seine Zuschauer so gespalten wie „Obi-Wan Kenobi“ in den letzten fünf Wochen. Nun sind die sechs Episoden der neuen „Star Wars“-Miniserie Geschichte und es wird Zeit, ein Fazit zu ziehen. Im Zentrum der Serie steht der Konflikt zwischen Obi-Wan und Anakin, der dank der tragischen Vorgeschichte und zwei spannenden Aufeinandertreffen der beiden einen gelungenen Eindruck hinterlässt. Zwar reicht kein Duell an das Spektakel von „Die Rache der Sith“ heran und Hayden Christensen bekommt enttäuschend wenig zu tun, dafür haben wir Vader nie so entfesselt gesehen wie hier. Ein Unterhaltungswert, der sich durch alle Folgen zieht, weswegen ich mich stets verwundert über die teils harsche Kritik an der Serie gezeigt habe. Das betrifft auch den Hass gegenüber Antagonistin Reva, die ich eigentlich ganz interessant fand, auch wenn ich persönlich keine Spin-off-Serie über sie brauche. Von einigen Schwächen wie den unfreiwillig komischen Verfolgungsjagden zu Beginn oder den Kontinuitätsproblemen einmal abgesehen, hinterlässt die Serie dadurch einen sehenswerten Eindruck. Dafür sorgt auch die Rückkehr von Ewan McGregor, die zahlreichen Gastauftritte aus den Prequels sowie die tolle Dynamik zwischen Obi-Wan und Leia. Hinzu kommt ein eindrucksvoller Look und eine insgesamt gelungene Inszenierung von Deborah Chow, die bei allen Episoden Regie führte. Für mich ist „Obi-Wan Kenobi“ daher eine klare Steigerung gegenüber „The Book of Boba Fett“ und ungefähr auf dem Niveau von „The Mandalorian“ (Ja ich bin kein Riesen-Fan von Mando und Grogu).
7/10
Poster&Trailer: © Disney+