Pachinko - Staffel 1

Staffelfinale: 29.04.2022 | Anbieter: Apple TV+ | Episoden: 8 | FSK: 16 | Land: USA, Japan | Genre: Drama


Kritik

Ich muss gestehen: Als im März 2019 in einer Präsentation mit großen Namen wie Steven Spielberg und Jason Momoa der neue Streamingdienst von Apple angekündigt wurde, war ich trotz der Star-Power wenig überzeugt. Im Schatten von Netflix' Contentflut und dem kometenhaften Aufstieg von Disney+ wuchs bei Apple TV+ in letzter Zeit aber etwas heran. Quantitativ bietet der Dienst zwar nur wenige Filme und Serien an, qualitativ haben diese es jedoch in sich. Gut zu sehen bei der gefeierten Komödie „Ted Lasso“ oder dem frischgebackenen Oscargewinner als bester Film „CODA“. Nun kommt mit der asiatisch-amerikanischen Serie „Pachinko“ aber ein Highlight auf die Plattform, dass sogar die beiden Erfolgsformate hinter sich lässt. Die Adaption von Min Jin Lees gleichnamigen Roman, der in Deutschland unter dem Titel „Ein einfaches Leben“ erschien, ist in allen Bereichen eine meisterhafte Serie und erzählt eine ebenso emotionale wie epische Familiengeschichte über vier Generationen hinweg.

 

Die Geschichte von „Pachinko“ beginnt in Korea im Jahr 1915, wo das kleine Mädchen Sunja in ärmlichen Verhältnissen und unter der japanischen Tyrannei aufwächst und reicht bis ins Jahr 1989, wo Sunja (Oscargewinnerin Yuh-jung Youn) als alte Frau in Japan an der Seite ihres Sohnes Mozazu (Sohee Park) und ihres Enkels Solomon (Jin Ha) lebt.

Zu mehr als einer groben Handlungsbeschreibung reichen diese drei Zeilen also nicht, immerhin umspannt die Geschichte von „Pachinko“ einen Zeitraum von über 70 Jahren und dreht sich um vier Generationen der Familie. Fixpunkt der Story ist dabei Sunja, die wir in drei Altersstufen zu sehen bekommen. Als kleines Mädchen (Yu-Na Jeon), als junge Frau (Minha Kim) und als alte Dame (Yuh-jung Youn). Ihre Geschichte und ihr Kampf gegen alle Widrigkeiten um das Überleben ihrer Familie stellt das Zentrum der Geschichte dar und ist ebenso mitreißend wie emotional geschrieben. Die dreisprachige Serie (Gesprochen wird abwechselnd koreanisch, japanisch und englisch) brilliert mit fantastischen Dialogen und herausragenden Charaktermomenten. So ruhig die Serie auch sein mag, so könnte ich trotzdem ganze Abhandlungen darüber schreiben, wie viel in dieser Serie drinsteckt. Egal ob es sich dabei um die überwältigende vierte Episode handelt, die mich mit einer Kaskade an Emotionen überrollt hat oder der siebten Episode mit einem Rückblick in eines der düstersten Kapitel japanisch-koranischer Geschichte. „Pachinko“ ist voll von solchen emotionalen Höhepunkten, die mich zu Tränen gerührt haben und bietet nebenbei noch eine spannende Geschichtsstunde über das Verhältnis zwischen Koreanern und Japanern, dass mir so gar nicht bewusst war. Gleichzeitig ist die Apple-TV-Plus-Serie aber auch ein Werk, dass die volle Aufmerksamkeit des Zuschauers einfordert. Das Lesen der Untertitel ist dabei notwendig, da der Sprachenwechsel zwischen japanisch und koreanisch immer wieder für die einzelnen Situationen Relevanz haben. Gleichzeitig muss der Zuschauer im Gewirr der Zeitebenen, Handlungsstränge und der Schar an Charakteren aber immer wieder aufpassen, dass man die Übersicht in der zusammenhängenden Geschichte nicht verliert. „Pachinko“ ist also weder durch seine fordernde Aufmerksamkeit noch durch seine emotionale Schwere eine Serie, die sich leicht weggucken lässt.

Wer sich auf das alles einlassen kann, wird jedoch mit einer der besten Serien des Jahres belohnt. Denn „Pachinko“ brilliert nicht nur mit seiner Story und den Charakteren, sondern diese werden auch noch absolut großartig verkörpert. Angeführt wird der Cast von der frischgebackenen „Minari“-Oscargewinnerin Yuh-jung Youn, die von der schlichtweg fantastischen Darstellung von Minha Kim als junge Sunja aber sogar noch übertroffen wird. Generell lässt sich sagen, dass die Showrunnerin Soo Hugh, die sich nach eigenen Angaben fast nie mit der zweiten Wahl zufriedengeben musste, jede Rolle perfekt besetzt hat. So besitzen beispielsweise auch der nominelle „Bösewicht“ der Serie Min-Jo Lee als Hansu oder Sunjas Enkel Solomon, gespielt von Jin Ha, eine beeindruckende Präsenz. Und das, ohne ins typisch asiatische Overacting abzudriften. Stattdessen sind die westlichen Einflüsse der asiatisch-amerikanischen Produktion nicht von der Hand zu weisen.

Und als wäre das alles noch nicht genug, sieht die Serie auch noch unverschämt gut aus. Die Inszenierung der beiden Regisseure Kogonada und Justin Chon, die jeweils vier Episoden inszenieren, ist mehr als gelungen und die Bilder, unter anderem vom deutschen Kameramann Florian Hoffmeister, teils atemberaubend schön. Apple hat sich hier nicht lumpen lassen und das Projekt von Anfang an als eines ihrer größten Highlights angepriesen. Dabei haben sie der Showrunnerin Soo Hugh alle Zeit der Welt für ihre Vorbereitungen gelassen und die Serie dann auch mit einem üppigen Budget ausgestattet, was zahlreiche Panoramaaufnahmen des alten Koreas/Japans beweisen (gerade in Episode 7). Abgerundet wird die Serie von einem der launigsten Serienintros überhaupt, angeführt vom tollen Song „Let's Live For Today“ von „The Grass Roots“ (Ohrwurmgarantie) und einem tanzenden, lebensfrohen Cast. 

 

Fazit

Was für eine Serie! Das bislang größte Highlight auf Apple TV+ ist ein Meisterwerk mit Ansage, bei dem jedes Rädchen nahezu perfekt ineinandergreift und jede Kleinigkeit durchdacht wurde. Das führt zu einem perfekt besetzten Cast, angeführt von Oscargewinnerin Yuh-jung Youn („Minari“) und einer erstklassigen Inszenierung der beiden Regisseure Kogonada und Justin Chon, mit starken Bildern des deutschen Kameramanns Florian Hoffmeister. Im Zentrum steht jedoch die tragische Familiengeschichte Sunjas, der wir hier über einen Zeitraum von über 70 Jahren und durch vier Generationen der Familie folgen. Die dreisprachige Serie (koreanisch, japanisch und englisch) brilliert dabei mit fantastischen Dialogen, beeindruckenden Charaktermomenten und einer überwältigenden Emotionalität, ganz besonders in Episode 4! „Pachinko“ hat mich nicht nur mehrfach zu Tränen gerührt und tief beeindruckt, sondern funktioniert auch als Geschichtsstunde über die schwierigen japanisch-koreanischen Beziehungen hervorragend, die mir so auch gar nicht bewusst waren. Die ruhige asiatisch-amerikanische Produktion fordert mit seinen Untertiteln und zahlreichen Charakteren sowie Handlungssträngen zwar die gesamte Aufmerksamkeit des Zuschauers ein, wer sich darauf einlassen kann, bekommt mit dem herausragenden Historiendrama aber eine der besten Serien des Jahres serviert!

 

9/10


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Poster&Trailer: © Apple TV+