Box-Office-Dominanz - Disney ist das neue Imperium

Disney pulverisiert 2019 alle Rekorde und dominiert den Filmmarkt nach Belieben. Eine bedenkliche Entwicklung.

Rogue One: A Star Wars Story © Disney
Rogue One: A Star Wars Story © Disney

August 2019"Avengers: Endgame" war nur der Anfang. Nachdem das Finale der Infinity-Saga mit 2,79 Milliarden Dollar an den weltweiten Kinokassen erst kürzlich "Avatar - Aufbruch nach Pandora" als erfolgreichsten Film aller Zeiten ablöste, pulverisiert der Mäusekonzern weiter alle Rekorde. 7,67 Milliarden Dollar hat Disney im Jahr 2019 bislang am globalen Box Office umgesetzt. Damit hat man seinen eigenen Rekord von 7,61 Milliarden Dollar aus dem Jahr 2016 bereits getoppt und knackt mit 5,09 Milliarden Dollar, als erstes Filmstudio die magische 5 Milliarden Grenze an den internationalen Kinokassen. Und das wohlgemerkt bereits Ende Juli! Mit "Avengers: Endgame", "Der König der Löwen", "Captain Marvel", "Aladdin" und "Toy Story 4", gehören fünf der sechs erfolgreichsten Filme des Jahres zu Disney. Lediglich Sonys "Spider-Man: Far from Home" mogelt sich dazwischen, aber auch nur dank der Zugkraft von Disneys MCU. Und noch hat man mit "Maleficent 2", "Die Eiskönigin 2" und "Star Wars: Episode IX" einige heiße Eisen im Feuer. Entsprechend kann man davon ausgehen, dass Disney bis Ende des Jahres die 10 Milliarden Hürde nimmt und damit für einen unfassbaren Rekord sorgt. Die anderen Major Studios in Hollywood können von solchen Zahlen nur Träumen. Mit riesigem Abstand folgen Warner Brothers mit 1,8 Milliarden Dollar, Sony Pictures mit 1,78 Milliarden Dollar und Universal mit 1,71 Milliarden Dollar. Das fünfte Major Studio befindet sich indes weiter in einer tiefen Krise, denn Paramount setzte bislang lediglich 550 Millionen Dollar an den Kinokassen um. Disney nimmt also mehr Geld ein als alle anderen Major-Studios zusammen. 

The Walt Disney Company © Disney
The Walt Disney Company © Disney

Wie Disney so mächtig wurde

"Wer stellt sich noch gegen die Macht von Disney und 20th Century Fox?" So oder so ähnlich dürfte Saruman wohl die aktuelle Situation kommentieren. Spätestens seit der Übernahme von 20th Century Fox, für gigantische 71 Milliarden Dollar, hat der Mäusekonzern quasi ein Monopol auf dem Filmmarkt und man muss sich schon fragen, wie die Übernahme von den Kartellämtern abgesegnet werden konnte. Der Deal war derweil nur der letzte von einer ganzen Reihe an Einkäufen, mit denen Disney in den letzten Jahren aggressiv expandierte. Den Anfang machte die Übernahme der renommierten Animationsschmiede Pixar. Die Pixar-Filme wurde zuvor schon von Disney vertrieben, im Jahr 2006 übernahm man das Studio für 7,4 Milliarden Dollar dann endgültig. 2009 folgte dann wohl Disneys bisher größter Coup: Für geradezu lächerliche 4 Milliarden Dollar kaufte man Marvel Entertainment auf, die ein Jahr zuvor mit "Iron Man" und "Der Unglaubliche Hulk" das Marvel Cinematic Universe in die Wege leiteten. Damals konnte noch keiner ahnen wie unfassbar erfolgreich die Filme einmal werden würden, heute ist das MCU mit Einnahmen von 22,4 Milliarden Dollar das erfolgreichste Film-Franchise aller Zeiten. Ein lohnenswerter Deal war auch die Übernahme von Lucasfilm. Der Deal mit "Star Wars"-Schöpfer George Lucas ging im Jahr 2012 über die Bühne und kostete Disney ebenfalls nur 4 Milliarden Dollar. Eine Summe die die vier bislang veröffentlichten Filme bereits schon wieder eingespielt haben. Mit der gigantischen Übernahme von 20th Century Fox gehören Disney nun auch die Rechte an weiteren lukrativen Franchises wie "Avatar", "Planet der Affen" und "Alien", während die "X-Men" und die "Fantastic Four" in das MCU integriert werden können. Zur Übernahme gehören auch einige US-Fernsehsender und Serien wie "Die Simpsons". Die Zukunft sieht sogar noch rosiger aus für Disney: Mit Disney+ startet der Konzern ab November seinen Großangriff auf Streamingdienste wie Netflix, der dank der vielen Lizenzen und einem Kampfpreis zum Start auch ein voller Erfolg werden wird. Und wer weiß, vielleicht plant Disney hinter den Kulissen schon die nächste große Übernahme? Am Geld wird es kaum mangeln, immerhin machen die Einnahmen der Entertainment-Sparte, trotz Rekord, gerade einmal 13% des Gesamtumsatzes von Disney aus. 43% der Einnahmen kommen von Freizeitparks, Events und Produkten wie der umfangreichen Merchandising-Abteilung. 38% kommen von Disneys Mediennetzwerken wie ESPN, ABC und dem Disney Channel, die sich in den USA großer Beliebtheit erfreuen. Letztendlich scheint Disney also unaufhaltsam zu sein und sieht dadurch inzwischen wie das Imperium der Unterhaltungsindustrie aus.

Der König der Löwen © Disney
Der König der Löwen © Disney

Der Untergang der Kreativität

Ein solches Monopol ist jedoch nie gut, vor allem in einer kreativen Branche wie der Unterhaltungsindustrie. Zumal sich Disney in den letzten Jahren einen Namen darin gemacht hat, seine Marktmarkt knallhart auszunutzen. So zwingt der Konzern Kinobetreiber zu höheren Abgaben für Disney-Filme, die gleichzeitig von den Zuschauermassen abhängig sind, die die Disney-Filme in die Kinos locken. Eine solche Abhängigkeit von einem einzigen Studio gab es noch nie und birgt zahlreiche Gefahren. Viele verbinden mit dem Namen Disney indes in erster Linie glückliche Kindheitserinnerungen an glorreiche Zeichentrickfilme wie "Der König der Löwen" oder "Das Dschungelbuch". Von dieser Magie für die Walt Disney einst stand, ist heutzutage jedoch nichts mehr zu sehen. Spätestens nach den Flops von teuren Disney-Blockbustern wie "John Carter" und "The Lone Ranger", geht Disney komplett auf Nummer sicher. Neben zwei bis drei Filmen jährlich aus dem MCU, neuen "Star Wars"-Filmen und Pixar-Fortsetzungen wie "Toy Story 4", hat Disney neuerdings eine weitere Goldgrube gefunden: Die alten Zeichentrick-Klassiker als Realverfilmungen neu aufzulegen. Damit begann Disney im Jahr 2010, als man mit '"Alice im Wunderland" einen großen Erfolg feierte. Allein 2019 kommen ganze vier Realverfilmungen in die Kinos: "Aladdin" und "Der König der Löwen" haben bereits über eine Milliarde Dollar an den Kinokassen eingespielt, obwohl vor allem letzterer viele Szenen des Originals 1:1 kopiert und damit sogar die Macher der Zeichentrick-Version gegen sich aufbrachte. Dazu kam mit "Dumbo" Disneys einziger Flop in die Kinos, während "Maleficent 2" im Oktober erst noch startet. Aus der einstigen Filmmagie ist also die reine Gewinnmaximierung geworden und das ist eine mehr als bedenkliche Entwicklung. Filme wie "Once Upon a Time in Hollywood", die auf keiner Vorlage und auf keinem Franchise basieren, sind inzwischen eine absolute Seltenheit geworden, da auch die anderen Major-Studios händeringend versuchen, ein erfolgreiches Franchise im Stile des MCU aufzubauen. Für kreative Ideen scheint in Hollywood dadurch kein Platz mehr zu sein, weswegen viele Regisseure wie Nicolas Winding Refn ("Too Old to Die Young") und sogar Altmeister Martin Scorsese ("The Irishman") ihre Projekte zu Streamingdiensten wie Netflix tragen, die die Einzigen zu sein scheinen, die tatsächlich noch dazu bereit sind ein Risiko einzugehen. Ein weiteres Problem sind die kreativen Einschränkungen: Für kleine Leckerbissen scheint bei Disney kein Platz zu sein, stattdessen folgen mehr oder weniger alle Filme dem selben Muster. Familientauglich müssen die Filme sein, weshalb "Deadpool 3" wohl ohne R-Rating an den Start gehen wird, die Filme dürfen keine ernsten oder heiklen Themen beinhalten, wodurch Taika Waititis Nazi-Satire "Jojo Rabbit" Schwierigkeiten bekommen könnte, und dazu gibt es ein striktes Rauch- und Sexverbot für alle Disney-Filme. Zu sehr fürchten sich die Verantwortlichen vor einem Image-Schaden des betont familienfreundlichen Unternehmens. Schlimmer noch: Disney+ wird eine reine Plattform für Familien. Inhalte die sich an ein Erwachsenes Publikum richten wird es also nicht geben. Für Vielfalt scheint beim Mäusekonzern einfach kein Platz zu sein. Umso mehr muss man darauf hoffen, dass Disney nicht auch noch den Streamingmarkt dominiert, ansonsten kann Hollywood endgültig seine kreative Bankrotterklärung unterzeichnen. 


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