10 Jahre nach Avatar - Der Untergang von 3D

Der Flop von "Gemini Man" beweist: Ein Jahrzehnt nach dem Megaerfolg von "Avatar", ist das 3D-Kino am Ende. 

Avatar - Aufbruch nach Pandora © 20th Century Fox
Avatar - Aufbruch nach Pandora © 20th Century Fox

Oktober 2019 - Ich kann mich noch genau daran erinnern, als ob es gestern gewesen wäre: Der Moment in dem Jake Sully (Sam Worthington) aus seiner Schlafkapsel stieg und mir die beeindruckende Tiefenwirkung des 3D die Kinnlade nach unten klappen lies. Es war das erste mal, dass ich mit der 3D-Technik in Berührung kam und es war ein Erlebnis, dass "Avatar" bis heute zu einem meiner Lieblingsfilme macht. So wie mir ging es damals vielen Kinobesuchern im Dezember 2009, als "Avatar - Aufbruch nach Pandora" in die Kinos kam und dank eines beispiellosen Hypes zum damals erfolgreichsten Film aller Zeiten avancierte. Regisseur James Cameron formulierte damals eine Zukunftsprognose, wonach "in einigen Jahren" 3D das gewohnte 2D-Format ersetzen würde. Und das nicht nur im Kino, sondern in der gesamten Unterhaltungsbranche, einschließlich dem Sport. Bei Aussagen wie diesen, kann man heute, fast 10 Jahre nach "Avatar", nur noch müde lächeln. Denn aus der einst so vielversprechenden Technik, die eine immersive Kinorevolution versprach und unsere Sehgewohnheiten hätte verändern können, ist kaum noch etwas übrig geblieben. Zugrunde gerichtet von gierigen Filmstudios, die nur auf den 3D-Aufschlag an den Kinokassen aus sind, wurde das 3D zu einer optionalen Möglichkeit Filme zu konsumieren, da ein Verlust der Tiefe in den allermeisten Fällen die Wirkung des Films nicht beeinträchtigte.

"Gemini Man": Trotz beeindruckender Technik ein Flop © Paramount
"Gemini Man": Trotz beeindruckender Technik ein Flop © Paramount

Die meisten Filme werden inzwischen einfach nicht mehr für eine 3D-Erfahrung konzipiert, sondern lediglich nachträglich konvertiert. Folglich wird der 3D-Effekt überflüssig. In der Praxis bedeutet das sinkende Ticketverkäufe. Im ersten Halbjahr 2019 wurden in Deutschland gerade einmal 8,7 Mio. Tickets für 3D-Vorstellungen gelöst. Das entspricht einem Marktanteil von lediglich 16,9 Prozent, obwohl sechs der zehn besucherstärksten Filme in 3D waren. Dieser Wert ist nicht nur der niedrigste seit 2009, die Dunkelziffer dürfte noch weitaus geringer sein. Immerhin werden viele Kinobesucher noch immer zur 3D-Vorstellung gezwungen, da der Film erst gar nicht in 2D gezeigt wird. Dass sich kaum noch Zuschauer bewusst für das 3D-Kino entscheiden, zeigt der aktuelle Flop von "Gemini Man", der Paramount schätzungsweise 75 Mio. Dollar Verlust einbringen wird. Trotz der Starpower um Meisterregisseur Ang Lee ("Life of Pi") und Superstar Will Smith in einer Doppelrolle, war das Verkaufsargument Nummer Eins die technischen Spielereien des Films. "Gemini Man" erschien in 4K, 3D, HFR und Dolby Atmos. Während der Otto-Normal-Zuschauer für die ganzen Begriffe langsam ein Lexikon benötigt, ist insbesondere die gesteigerte Bildrate (HFR = Higher Frame Rate) spannend. Normale Filme laufen mit 24 FPS (Frames per Second = Bilder pro Sekunde), Peter Jacksons erste HFR-Gehversuche mit der "Hobbit"-Trilogie mit 48 FPS und jetzt eben "Gemini Man" mit 120 FPS. Obwohl fast alle Kinos den Film nur in 60 FPS zeigen konnten, sorgte die Technik insgesamt für Begeisterung, da der Effekt gerade in Actionszenen für ein enorm flüssiges Bild sorgt. Die Kinosäle konnte die Technik jedoch nicht füllen und damit wird sich auch weiterhin kaum ein Filmstudio die Mühe machen, Filme mit dieser enorm aufwändigen Technik zu drehen. Warum auch? Für die Studios, die ihre Filme gerne günstig in 3D konvertieren um damit den Zuschlag an den Kinokassen abzugreifen, lohnt sich dieser Aufwand ohnehin nicht.

"Kampf der Titanen": Der Anfang vom Ende © Warner Bros.
"Kampf der Titanen": Der Anfang vom Ende © Warner Bros.

Doch wie kam es überhaupt zu diesem Status Quo? Immerhin verließen die Kinobesucher vor zehn Jahren noch begeistert die Kinosäle und dürsteten nach weiteren 3D-Erfahrungen. Der erste Realfilm der diesen Hype bediente, kam im März 2010, also lediglich drei Monate nach James Camerons Hit in die Kinos. "Alice Im Wunderland" profitierte damals enorm vom 3D-Hype und generierte Einnahmen von über 1 Milliarde Dollar. Wie sehr der Film vom damaligen Hype profitierte, zeigt ein Blick auf die Fortsetzung aus dem Jahr 2016, die mit Einnahmen von gerade einmal 300 Millionen Dollar sogar floppte. Der Disney-Film befriedigte nicht nur als erster die hohe Nachfrage, sondern war auch der erste Film der nachträglich in 3D konvertiert wurde. Gestört hat das Publikum sich daran aber nicht. Dadurch dass bei dem Film fast alles aus dem Computer stammte, gelang Disney nämlich eine gelungene Konvertierung, wie wir sie auch heute noch ab und an zu Gesicht bekommen. Der Anfang vom Ende für die 3D-Technik kam dann einen Monat später in die Kinos. "Kampf der Titanen" wurde ebenfalls nachträglich konvertiert und enttäuschte mit seiner miesen Tiefenwirkung die Kinobesucher maßlos. Es waren die ersten Risse im bis dato makellosen Ruf der 3D-Filme. Und diese Risse wurden im Laufe der Zeit immer tiefer. Denn neben Animationsfilmen kamen kaum noch Filme ins Kino, die mit der 3D-Technik etwas anfangen konnten. Ein Blick auf die Liste der 3D-Filme im Jahr 2019 zeigt das ganze Grauen: "Alita: Battle Angel", "Der König der Löwen" und "Gemini Man", sind die einzigen Realverfilmungen die tatsächlich in 3D produziert wurden. Alle anderen wurden lediglich nachträglich konvertiert. Nun muss man ehrlicherweise sagen, dass so eine Konvertierung nicht automatisch schlecht sein muss. Gerade James Cameron hat mit den 3D-Neuauflagen seiner alten Klassiker "Titanic" und "Terminator 2" bewiesen, wie toll selbst solche alten Filme konvertiert aussehen können. Doch die damit verbundene Mühe macht sich kaum ein Filmstudio und so werden echte 3D-Highlights wie "Gravity" oder "Life of Pi" immer seltener. Zumal Filmschaffende wie Cameron, Ang Lee oder Peter Jackson inzwischen fast die einzigen zu sein scheinen, die noch versuchen das 3D-Kino voranzubringen. Regisseure wie Martin Scorsese, der mit "Hugo Cabret" einst selbst einen tollen 3D-Film gedreht hat, besinnt sich längst wieder auf zweidimensionale Produktionen, während machtvolle Regisseure wie Christopher Nolan oder Quentin Tarantino, ohnehin schon immer ein Gegner der 3D-Filme waren. So finden sich 3D-Filme heutzutage fast ausschließlich im Blockbuster-Kino wieder. Sündhaft teure Unterhaltungsfilme wie die MCU-Streifen, die meist ein Budget jenseits der 200 Millionen Dollar-Marke besitzen, sind die einzigen die überhaupt noch am 3D festhalten. Allerdings aus den völlig falschen Gründen. Denn diese meist uninspirierten Blockbuster helfen dem 3D-Kino nicht weiter, sie sind eher die Ursache für den Untergang der Technik, da sie sich für die Möglichkeiten der gesteigerten Tiefenwirkung nicht einmal interessieren. Die Gleichgültigkeit mit der Filmstudios dieser einst so vielversprechenden Technik begegnen, ist überaus schade.

"Avatar 2": Die letzte Hoffnung? © 20th Century Fox
"Avatar 2": Die letzte Hoffnung? © 20th Century Fox

Das Heimkino ist derweil schon einen Schritt weiter. Bereits seit einigen Jahren ist das 3D im Heimkino tot. Dabei war ein 3D-Fernseher Anfang des Jahrzehnts noch ein absolutes Muss. Doch das 3D-Feature wurde von sämtlichen TV-Herstellern wegrationalisiert und musste einer höheren Auflösung weichen. Heute werben die Hersteller mit Features wie UHD und HDR, vom dreidimensionalen Bild spricht indes aber niemand mehr. 3D-Blu-rays verstauben in den Ecken des Einzelhandels, Sky hat seinen 3D-Sender bereits 2017 eingestampft und auf Streaming-Diensten wie Netflix findet sich ebenfalls keine Spur von 3D-Inhalten. Ein Schicksal das bald auch das Kino treffen wird? In naher Zukunft wohl eher nicht, dafür ist der Aufschlag an den Kinokassen zu attraktiv für Filmstudios, für die es ein leichtes ist, 2D-Vorstellungen zu blockieren, um damit den Kinobesuchern das 3D aufzuzwingen. Für alle Kinobesucher bleibt eine letzte Hoffnung. James Camerons "Avatar"-Fortsetzung wird endlich gedreht und soll Gerüchten zufolge sogar die unbeliebten 3D-Brillen obsolet machen. "Avatar 2" könnte dem 3D-Kino damit noch einmal einen zweiten Frühling bescheren, immerhin gelten die nervigen 3D-Brillen als Hauptargument warum die 3D-Technik gerade im Heimkino gescheitert ist. Ob Cameron diese erneute Technik-Revolution gelingt und 3D ein fulminantes Comeback feiert, oder ob die Filmstudios auch diese Technik-Revolution wieder zu Grabe tragen, erfahren wir dann ab Dezember 2022, wenn "Avatar 2" weltweit in die Kinos kommt. Bis dahin bleibt James Camerons Zukunftsvision nur eine Illusion.


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