Google Stadia ist die Zukunft des Gamings

Warum Streaming-Dienste für Videospiele, trotz der Ablehnung vieler Gamer, die Zukunft sein werden.

Assassin's Creed Odyssey © Ubisoft
Assassin's Creed Odyssey © Ubisoft

Juli 2019 - Im November 2019 erscheint Google Stadia in 14 Ländern, darunter auch in Deutschland. Google wagt sich damit als einer der ersten an die zukunftsweisende Technologie des Cloud-Gamings und veröffentlicht mit Stadia eine Streaming-Plattform für Videospiele. Trotz der eindrucksvollen Präsentation auf der GDC im März, als Google demonstrierte wie Gamer fortan ohne Ladezeiten ein Spiel starten können und selbst AAA-Titel wie "Assassin's Creed Odyssey" nahtlos auf mehreren Geräten spielen können, stehen viele Gamer der neuen Technologie eher skeptisch gegenüber. Laut einer Umfrage des britischen Unternehmens Broadbend Genie sind nur etwa 20 Prozent der Spieler überzeugt von Googles Streaming-Plattform und blickt man in die Kommentarspalten großer Spielemagazine, ist die Ablehnung noch weitaus größer. Woran liegt das? Ist es die gleiche Skepsis gegenüber Neuem die auch Spotify, Netflix und Co. anfangs viel Gegenwind einbrachten oder ist die Skepsis begründet? Schauen wir uns Google Stadia doch mal näher an:

© Google
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Kopfzerbrechen bereitet vielen Gamern schon das Geschäftsmodell von Google Stadia. Im November dürfen erstmal nur die Käufer der Founder's Edition loslegen, die mit 129€ zu Buche schlägt. Eine klassische Konsole braucht man für den Spielegenuss zwar nicht, die Founder's Edition kommt aber mit einem Stadia Controller und einem Chromecast Ultra daher, die man beide aber nicht zwingend für Stadia benötigt. Dazu gibt es eine dreimonatige Pro-Mitgliedschaft und einen Buddy Pass für einen Freund. Allen anderen wird der Zugang zu Stadia dann wahrscheinlich Anfang 2020 gewährt. Dann haben die Nutzer die Wahl zwischen zwei Abo-Modellen: Einer kostenlosen Basis-Variante mit der man Spiele in Full HD-Auflösung, 60 FPS und in Stereo-Sound streamen kann, sowie einer Pro-Variante die mit 10€ im Monat zu Buche schlägt, dafür aber 4K, Surround Sound und einige kostenlose Spiele beinhaltet. Zum Start wird beispielsweise "Destiny 2" mit an Bord sein, ähnlich wie bei PlayStation Plus sollen monatlich weitere kostenlose Spiele folgen. 

Damit hat man jedoch nur Zugriff auf die Rechenzentren von Google. Dort liegt die Hardware über die man die Spiele spielt, die insgesamt sogar leistungsstärker als die PlayStation 4 und Xbox One ist. Spiele muss man sich jedoch wie bisher für den Vollpreis dazu kaufen. Gerade dieses Preismodell sorgt für Ärger bei den potenziellen Kunden. Laut der Broadbend Genie-Umfrage sind lediglich 14% der befragten Spieler dazu bereit, für ein Cloud-Spiel den Vollpreis zu bezahlen. 74% würden hingegen ein Netflix-Modell bevorzugen, bei dem monatlich für eine feste Auswahl an Spielen gezahlt wird. Zwar haben die Stadia-Verantwortlichen immer betont kein Netflix für Spiele sein zu wollen, ein Geschäftsmodell dass rein auf dem Verkauf von Vollpreistiteln beruht, halte ich bei einem Streaming-Dienst jedoch auch für wenig sinnvoll. Zum Glück bleibt es jedoch nicht dabei. Vergleichbar mit den Prime Video Channels bei Amazon, die man zusätzlich zum Prime-Abo dazubuchen kann, wird auch Google auf solche Abos im Abo setzen. Immerhin hat die E3 2019 eines gezeigt: Spiele-Abos für einen monatlichen Preis von 10-15€ liegen gerade voll im Trend. So hat Ubisoft kürzlich nicht nur das Line-up seines Abo-Services Uplay+ vorgestellt, der am 3. September 2019 an den Start gehen wird, sondern auch eine Kooperation zwischen Ubisoft und Google angekündigt. Uplay+ wird nächstes Jahr in Google Stadia integriert werden. Damit kann man für insgesamt 15€ pro Monat (oder 25€ pro Monat falls man nicht auf 4K verzichten möchte) über 100 Spiele aus dem Ubisoft-Katalog streamen, darunter auch aktuelle Titel wie "Anno 1800" oder noch unveröffentlichte Spiele wie "Watch Dogs: Legion". Und das ohne einen teuren Gaming-PC oder eine Spielekonsole sein Eigen zu nennen. Gespielt wird einfach im Chrome Browser, auf Google Pixel Smartphones (Weitere Modelle sollen folgen) oder auf dem Fernseher, mit einem Chromecast Ultra. Ein solches Abo im Abo-System lässt sich natürlich beliebig erweitern, falls weitere Publisher Interesse an einer Kooperation mit Google zeigen sollten. In diesem Fall wird Stadia dann doch noch zum Netflix für Videospiele.

© Google
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Wie alle anderen Cloud-Gaming-Dienste wird aber auch Google Stadia mit der Technik stehen oder fallen. Gerade ein Blick auf Sonys aktuellen Streaming-Service PlayStation Now offenbart einige eklatante technische Schwächen. Mit PlayStation Now ist lediglich Streaming in 720p-Auflösung und in Stereo-Sound möglich. Während es am Sound wenig auszusetzen gibt, ist die Stream-Qualität für heutige Maßstäbe kaum zu gebrauchen. Die Spiele haben nicht nur mit der geringen Auflösung zu kämpfen, sondern sehen auch noch sehr verwaschen aus. Egal ob PS4- oder PS3-Spiele, wer mit PlayStation Now streamt muss ein starkes Grafik-Downgrade im Vergleich zur Konsolenfassung hinnehmen. Wer dann auch noch auf einem großen Fernseher spielen möchte oder gerne Spiele mit schnellen Bewegungen spielt, wird durch Kompressionsartefakte noch mehr aus der Immersion gerissen. Deswegen mag PlayStation Now vielleicht die Gegenwart sein, aber sicherlich nicht die Zukunft. In diese Zukunftsrichtung müssen nun Stadia und Co. gehen, mit ihren hohen Auflösungen und großen Serverstrukturen. Wer mit Stadia streamen will, braucht entsprechend eine stabile Internetverbindung von mindestens 10 Mbit/s für 720p-Streams (Zum Vergleich: PlayStation Now benötigt für die gleiche Auflösung nur 5 Mbit/s). Mit 20 Mbit/s streamt der Anwender in 1080p, 60 FPS und 5.1 Surround Sound, während für die maximale 4K-Qualität 35 Mbit/s benötigt werden. Solche Übertragungsraten sind für viele bereits ein Hindernis, da der Netzausbau in Deutschland in den letzten Jahren nur schleppend voran ging. Hier muss die Politik also dringend nachbessern, den Fortschritt von Cloud-Gaming kann und wird diese Problematik erstmal aber nicht bremsen. 

In Aktion hat die Öffentlichkeit Google Stadia bislang zwar kaum gesehen, was man sehen konnte, war allerdings eine deutlich verbesserte Bildqualität, bei der es nur gelegentlich zu Artefakten kam. Kein Vergleich also zum verwaschenen Bild von PlayStation Now. Während man dieses Problem bei Google wohl einigermaßen gut im Griff hat, ist und bleibt die größte Ungewissheit beim Cloud-Gaming der Input Lag, also die Verzögerung der Eingabe. Gerade bei Shootern fällt eine hohe Latenz störend auf, ob Stadia dieses Problem in den Griff bekommen hat, werden wir wohl erst im Hands-On-Test im November erfahren. Immerhin soll sich mit einem Stadia Controller die Latenz verringern, da sich dieser direkt mit dem Google-Rechenzentrum verbindet. Wie hoch die Latenz bei anderen Eingabegeräten wie der Maus und Tastatur oder beispielsweise einem angeschlossenen Xbox-Controller ausfällt, ist noch nicht bekannt. 

© Ubisoft
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Zusammenfassend hat Google Stadia also vor allem drei Hauptprobleme: Die Qualität des Streams, die Latenz und der Preis. Während die Qualität und die Latenz mit der Zeit weiter verbessert werden, könnte eine anfangs mangelhafte technische Umsetzung für Google Stadia zum großen Problem werden. Ob jemand den vollen Preis für ein Cloud-Spiel bezahlen will, muss derweil jeder für sich entscheiden. Spannender sind definitiv die Abos. Zwangsläufig wird es auch in der Videospielbranche zu einem Überangebot von Abo-Diensten kommen, das hat nicht zuletzt die E3 gezeigt. Wer also alles spielen will, wird tief in die Tasche greifen müssen, doch das musste man bisher auch. Ich habe längst meine eigene Strategie gegen den Abo-Service-Wahn gefunden. In der Serienwelt heißt das für mich: Ich bin einen Monat auf Netflix unterwegs, schaue mir dort alles an was mich interessiert und ziehe danach weiter zum nächsten Abo-Dienst. Im Grunde schaut man ohnehin nur eine oder zwei Serien gleichzeitig. Ein System dass sich 1:1 auch auf Spiele-Abo-Dienste übertragen lässt. Wenn ich dann aber das ganze Jahr über z.B. FIFA spielen möchte, dann gibt es ja weiterhin die Möglichkeit mir das Spiel einzeln zu kaufen. Ein weiterer Vorteil: Über ein Abo kann man auch Spiele entdecken, für die man normalerweise kein Geld ausgeben hätte. 

Dass Google dabei keine eigenen Spiele im Portfolio hat, anders als Sony und Microsoft, fällt dabei kaum ins Gewicht. Zwar sind Exklusivtitel, wie Sony mit der PlayStation und andere Streaming-Dienste wie Netflix seit Jahren zeigen, das A und O für eine erfolgreiche Konsole/Plattform, dank vieler Kooperationen und einem Abo im Abo-Modell, wird Google aber erstmal auch ohne eigene Exklusivtitel auskommen. Immerhin haben sich bereits mehr als 4.000 Entwickler bei Google Stadia angemeldet, dort stößt Cloud-Gaming also auf großes Interesse. Bei den Gamern gilt wiederum wohl das alte Sprichwort: "Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht". Die Ablehnung gegenüber Cloud-Gaming erinnert zweifelsohne an die Musikindustrie vor einigen Jahren, als Streaming-Dienste wie Spotify auf den Markt kamen. Und jetzt? Wann habt ihr zum letzten Mal eine CD gekauft, während Musik-Streaming über die verschiedensten Anbieter heute alles beherrscht? Das Gleiche gilt für die Film- und TV-Industrie. Videotheken sind inzwischen (fast) ausgestorben, während Netflix und Co. immer mehr Abonnenten dazugewinnen. Diese Entwicklung muss einem sicherlich nicht gefallen, aber es ist nunmal die Realität. Die Videospielindustrie ist nun schlichtweg die letzte die den Übergang ins Streaming-Zeitalter vollzieht. Google Stadia wird dabei wahrscheinlich keinen Raketenstart hinlegen, da die meisten Gamer aktuell noch einen Gaming-Rechner oder eine Konsole zu Hause haben. Mit der Zeit werden es sich viele aber zweimal überlegen, ob sie nochmal 1000€ und mehr in die neueste Hardware stecken, wenn sie die Spiele nicht einfach auch streamen könnten. Zumal Google Stadia auch nur den Anfang macht. Microsoft und Sony, die beim Streaming sogar gemeinsame Sache machen, werden mit Project xCloud und einem verbesserten PlayStation Now nachziehen. Spätestens mit der neuen Konsolengeneration Ende 2020, werden auch die beiden Big-Player ihre Streaming-Pläne finalisieren. Wenn erstmal die technischen Probleme überwunden sind, wird Streaming auch die Videospielindustrie erobern, daran habe ich keine Zweifel. 


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