Deadpool & Wolverine

Kino: 24.07.2024 | Laufzeit: 127 Minuten | FSK: 16 Land: USA | Genre: Superhelden, Action


Kritik

Das MCU meldet sich zurück! Seit „Avengers: Endgame“ wurden die Stimmen zunehmend kritischer und das Publikum zunehmend müder vom großen Superhelden-Franchise, das seine besten Tage eher hinter als vor sich hatte. Doch dann kam die Comic Con 2024 und mit ihr die Rückkehr des MCU-"Ankerwesens" Robert Downey Jr. der in den kommenden beiden „Avengers“-Filmen Oberbösewicht Doctor Doom spielen wird. Wohl als eine Iron Man-Variante aus dem Multiversum. Und dann legte „Deadpool & Wolverine“ mit 211 Mio. Dollar nicht nur das deutlich beste Startwochenende eines R-Rated-Films hin, sondern auch den sechstbesten Start eines Films überhaupt an den amerikanischen Kinokassen. Weltweit stehen stolze 444 Mio. zu Buche und damit dürfte der Begriff Superheldenmüdigkeit auch bald wieder in der Versenkung verschwinden. Denn für Highlight-Filme wie „Spider-Man: No Way Home“ und „Deadpool & Wolverine“ rennt das Publikum offensichtlich weiter in Scharen in die Kinos, nur wird es schwerer, für die ganzen 08/15-Filme im Dschungel der Comicverfilmungen ihren Platz zu finden. Zu diesen gehört das langerwartete Aufeinandertreffen von „Deadpool & Wolverine“ definitiv nicht, auch wenn ich mir etwas mehr Fleisch auf den Rippen gewünscht hätte.

 

Die große Frage im Vorfeld des Films war natürlich, wie „Deadpool & Wolverine“ mit dem Tod von Wolverine in „Logan“ umgehen würde und wie sehr die Rückholaktion dem Vermächtnis von Hugh Jackman schaden würde. Immerhin war das Ende seiner verbitterten Figur nahezu perfekt. Das interessiert den "foul-mouthed Merc" aber natürlich nicht die Bohne und so wird in der Eröffnungsszene des Films Wolverine direkt wieder ausgegraben, von dem aber nur noch ein Adamantium-Skelett übrig geblieben ist. "Unser" Wolverine ist und bleibt also im Reich der Toten und wir müssen uns mit einer betrunkenen und abgehalfterten Variante aus dem Multiversum zufriedengeben. Wie sehr diese Rückkehr nun Jackmans Vermächtnis schadet, muss jeder selbst für sich beantworten. Ich bin da tatsächlich hin- und hergerissen. Zum einen mochte ich das Ende von „Logan“ sehr, zum anderen kann ich es aber auch kaum erwarten Jackman bei den „Avengers“ zu sehen, sollte es dazu kommen.

Letzten Endes bietet das Multiversum nahezu unbegrenzte Möglichkeiten, die weit über Hugh Jackmans und Robert Downey Jr.'s Rückkehr hinausgehen. Und so fackelt „Deadpool & Wolverine“ das erwartete Cameo-Feuerwerk ab, dass hauptsächlich Figuren aus den Marvel-Filmen von 20th Century Fox beinhaltet. Es reicht also nicht nur über das MCU Bescheid zu wissen, um den Film in vollen Zügen genießen zu können. Auch das Wissen über die alten „X-Men“- und „Fantastic Four“-Filme wird vorausgesetzt und für die ganzen Meta-Jokes sollte man bestenfalls noch über das Privatleben von Ryan Reynolds und Hugh Jackman sowie das Filmemachen an sich inklusive früherer Castinggerüchte Bescheid wissen. Ansonsten wird man einige Gags verpassen oder mit dem einen oder anderen Fragezeichen im Kinosessel sitzen. Bei der enormen Fülle an Gags, die dazu in einer atemberaubenden Geschwindigkeit abgefeuert werden, dürfte das aber auch nicht allzu schlimm sein. In Sachen Cameo-Quantität kann es „Deadpool & Wolverine“ locker mit dem ähnlich gestrickten „Spider-Man: No Way Home“ aufnehmen, die gleiche Qualität erreichen sie aber nicht. Ich werde an dieser Stelle natürlich keine Namen verraten, aber die Auswahl der Cameos hat bei mir doch für einige Fragezeichen gesorgt, da sie einzelne gefühlt eher zufällig gewählte Charaktere zurückbringen. Mit dem Ende von „Deadpool 2“, als für einen kurzen Moment die versammelten „X-Men“ zu sehen waren und dem Abspann dieses Films, der eine Liebeserklärung an die Fox-Filme ist, hätte ich gedacht, dass das Fox-Franchise hier zu einem größeren Abschluss gebracht wird. Stattdessen bleibt es aber bei Auftritten einzelner Figuren, die für die Story wenig bis gar keine Bewandtnis haben. Da hätte ich mir mehr gewünscht.

Nun kann man sich an diesem Cameo-Feuerwerk und den Meta-Gags erfreuen oder man beschäftigt sich damit, die Story von „Deadpool & Wolverine“ zu hinterfragen. Ich empfehle Ersteres, denn bei Letzterem werdet ihr nicht glücklich werden. Die größte Schwäche des Films ist nämlich eindeutig die Story, die bei all dem Spektakel ziemlich auf der Strecke bleibt. Deadpools Eintritt in das Multiversum und damit Wolverine Rückkehr wird wahnsinnig ungelenk eingeleitet und handelt vom TVA-Vorgesetzten Mr. Paradox (Matthew Macfadyen), der aus irgendwelchen Gründen jetzt ausgerechnet Deadpool für seine Pläne braucht, dessen Heimatplaneten zu vernichten. Das macht irgendwie genauso wenig Sinn wie das frisch eingeführte Konzept der Ankerwesen, was bei genauerer Betrachtung eigentlich total bescheuert ist. Letztlich ist die Story nicht mehr als ein Vehikel, um von einem Meta-Gag zum nächsten Cameo zu kommen und man muss hier schon einige Gegebenheiten schlucken. Man scheint sich der Problematik aber auch bewusst zu sein und so reißt Deadpool nicht nur derbe Witze über Marvel und Disney, die ihr Fett hier richtig wegbekommen, sondern auch über den eigenen Film. Das löst die Probleme zwar nicht, macht den Film aber umso unterhaltsamer. „Deadpool & Wolverine“ lässt einem nämlich gar keine Atempause, um sich über die Schwächen aufzuregen und wer eine MCU-Affinität mitbringt, wird hiermit seinen Spaß haben und zwei sehr unterhaltsame Kino-Stunden erleben.

Während Ryan Reynolds und Hugh Jackman in ihren jeweiligen Paraderollen einen gewohnt überzeugenden Auftritt hinlegen, sind es vor allem die Seriendarsteller um „Succession“-Star Matthew Macfadyen und „The Crown“-Star Emma Corrin, die von den Nebencharakteren im Gedächtnis bleiben. Neben einem Macfadyen, der seiner Serienfigur treu bleibt, erinnert Corrin als glatzköpfige Antagonistin Cassandra Nova, der Schwester von Charles Xavier, kein bisschen mehr an Prinzessin Diana. Ihr Bösewicht ist mit ihren kleinen Fingerbewegungen angenehm zurückhaltend in Szene gesetzt und strahlt trotzdem eine Bedrohlichkeit und Unberechenbarkeit aus. Zumal ihre Fingerübungen im Kopf des Gegenübers für einen netten Effekt sorgen und fieser sind als alle brutalen Kills im Rest des Films. Schade, dass auch ihr Potenzial durch die schwache Story nicht ausgeschöpft wird.

Und dann muss ich noch Entwarnung für all jene geben, die dachten, unter der Disney-Flagge würde „Deadpool“ wieder so zahm werden wie einst bei „X-Men Origins: Wolverine“. Auch in seinem dritten Auftritt schimpft sich der "foul-mouthed Merc" wieder quer durch den Film mit seinen derben Sprüchen und jeder Menge Fäkalhumor. Und auch in Sachen Brutalität muss sich „Deadpool & Wolverine“ nicht ansatzweise vor seinen Vorgängern oder „Logan“ verstecken, da das CGI-Blut auch hier in Strömen fließ und den ersten R-Rated-Film des MCU zu einer herrlich blutigen Schlachtplatte macht. Die Effekte an sich sind aber nicht immer auf diesem Niveau. Die Greenscreen-Hintergründe wirken etwas verwaschen und allgemein ist „Deadpool & Wolverine“ nicht gerade der schönste Film des Jahres. Vor allem in den staubigen Szenen im Ödland, die weit von der Optik eines „Dune Part Two“ entfernt sind. Ganz besonders negativ ist mir aber eine Szene Richtung Ende ins Auge gestochen. Bei einer Kampfszene von Deadpool und Wolverine, bei der auch ein Bus involviert ist, werden die beiden zu kompletten 3D-Figuren aus dem Computer, was vor allem bei Wolverine im finalen Shot der Sequenz furchtbar künstlich aussieht. Für die Story und die Optik solltet ihr also besser kein Kinoticket kaufen.

 

Fazit

Robert Downey Jr. ist zurück und „Deadpool & Wolverine“ bricht alle Startrekorde. Das MCU feiert dieser Tage seine glorreiche Rückkehr mit einer Ankündigung und einem Film, die den Großteil der Fans begeistern werden, aber auch nicht alle glücklich machen wird. Solltet ihr im Fall von „Deadpool & Wolverine“ auf der Suche nach einer ausgereiften Story oder schönen Bildern sein, macht ihr nämlich am besten einen großen Bogen um den Film. Denn die Rückkehr von Hugh Jackman als Wolverine wird überaus ungelenk eingeleitet und über einige Story-Stichworte wie die "Ankerwesen" sollte man besser keinen Gedanken verlieren oder man merkt schnell, wie bescheuert dieses Konzept eigentlich ist. Die Handlung ist letztlich nur ein Vehikel, um von einem Meta-Gag zum nächsten Cameo zu kommen und da diese in so einer beeindruckenden Frequenz auf den Zuschauer einprasseln, bleibt ohnehin keine Zeit zum Nachdenken. Wer sich darauf einlassen kann und sich mit den Fox-Comicverfilmungen sowie dem Privatleben der beiden Hauptdarsteller auskennt, dürfte mit „Deadpool & Wolverine“ aber eine großartige Zeit haben. Regisseur Shawn Levy sorgt zwei Stunden lang für beste Unterhaltung und eine blutige Schlachtplatte, die es in sich hat. Ich hätte mir nur gewünscht, dass die Cameos nicht so beliebig wirken und statt lediglich einzelne Charaktere zurückzubringen, ein größerer Schlussstrich unter die Fox-Filme gezogen worden wäre. Obwohl „Deadpool & Wolverine“ damit nur die Quantität und nicht die Qualität der Cameos eines „Spider-Man: No Way Home“ erreicht und nicht der beste MCU-Film seit „Avengers: Endgame“ geworden ist, hat der Film meine Erwartungen aber erfüllt. Und ich bin schon sehr gespannt, was die Zukunft für die beiden Helden bereithält.

 

7/10


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Poster&Trailer: © Walt Disney