Streaming-Start: 25.12.2020 | Laufzeit: 100 Minuten | FSK: 6 | Land: USA | Genre: Animation, Abenteuer
Kritik
Nach "Onward" ist "Soul" bereits der zweite Pixar-Film der im Jahr 2020 in die Kinos kommt. Wobei Kino nicht ganz richtig ist, denn nachdem das Elfen-Abenteuer "Onward" nur für eine kurze Zeit im Kino zu sehen war, ehe die Corona-Pandemie selbige zur Schließung zwang, wurde der Film kurzerhand auf Disneys hauseigenem Streaming-Dienst Disney+ veröffentlicht. Der Kinostart von "Soul" wurde sogar komplett gestrichen, stattdessen erscheint das Animationsabenteuer pünktlich zu Weihnachten direkt bei Disney+. Und das Beste: Abonnenten des Streaming-Dienstes können sich "Soul" sogar ohne zusätzliche Kosten anschauen, der Mäusekonzern schlägt nach "Mulan" (für den man im September noch 30€ extra sehen wollte) also eine andere Richtung ein. Alle Abonnenten sollten sich "Soul" auch keinesfalls entgehen lassen, denn der Film von "Oben"- und "Alles steht Kopf"-Regisseur Pete Docter versprüht erneut die pure Pixar-Magie. Der launige Animationsfilm über einen Jazz-Musiker dessen Seele im Davorseits landet, dürfte Kinder und ganz besonders Erwachsene mitten ins Herz treffen, denn "Soul" ist der beste Pixar-Film seit "Coco" und ein echtes Highlight zum Abschluss dieses Filmjahres.
Als vor etwas mehr als einem Jahr der erste Teaser zu "Soul" Premiere feierte, waren durchaus kritische Stimmen zu hören, die Pixar vorwarfen ihren ersten schwarzen Hauptcharakter direkt ins Jenseits zu befördern und stattdessen durch die knuffigen Seelen zu ersetzen. Und tatsächlich gerät der unglückliche Jazz-Musiker Joe Gardner, der sein Lebensunterhalt als Musiklehrer verdient, gleich in der ersten Minuten des Films in einen unglücklichen Unfall. Die Sorge vieler Zuschauer bleibt jedoch unbegründet und Joe ist im Verlauf des Films noch häufig zu sehen. Körper und Seele werden durch den Unfall jedoch getrennt und Joes Seele findet sich auf direktem Weg Richtung Jenseits wieder. Doch der Musiker denkt gar nicht daran von seinem Leben Abschied zu nehmen und flüchtet kurzerhand ins Davorseits, wo Seelen für ihr Leben auf der Erde "ausgebildet" werden. Von dort aus startet eine abenteuerliche Reise zwischen kosmischen Sphären und den Häuserschluchten von New York, mit zwei Seelen auf der Suche nach dem Sinn des Lebens.
Die Geschichte von "Soul" klingt also etwas wie eine Mischung aus "Alles steht Kopf" in denen die Gefühle eines Mädchens die Hauptrolle einnahmen und dem Jungen aus "Coco", der ins Reich der Toten befördert wurde. Tatsächlich liegt man damit gar nicht so falsch, denn "Soul" ist eine konsequente Fortführung dieser beiden Gedankengänge. Dabei beweist Pixar vielleicht sogar so viel Mut wie nie zuvor. Immerhin sind erwachsene Hauptfiguren in Animationsfilmen nicht allzu häufig zu sehen und es scheint ganz so, als ob sich "Soul" vorrangig an ein erwachsenes Publikum richtet. Sicher, die Kleinen werden dank der süßen Seelen-Welt und der witzigen Körpertausch-Komödie im Mittelteil auf ihre Kosten kommen, die ganze Magie des Films entfaltet sich aber vor allem als Erwachsener. Ein unglücklicher Mensch auf der Suche nach seiner Berufung, Scherze über Hedge-Fund-Manager, Auftritte vieler berühmter Persönlichkeiten aus der Zeitgeschichte (von Mutter Theresa bis Abraham Lincoln), das alles sind Dinge mit denen Kinder wohl kaum etwas anfangen können. Dazu stellt "Soul" Pixar-typisch wieder die ganz großen Fragen. Philosophische Gedanken-Konzepte wie die Monotonie des eigenen Lebens, von Selbstzweifeln bis hin zu Depressionen, sowie die Frage wieso man überhaupt in so einer Welt leben möchte, sind nur einige der Fragen die "Soul" aufwirft. Wie kein anderes Studio schreckt Pixar also wieder einmal nicht davor zurück, solch ernste und schweren Probleme anzugehen und kein Studio vermag es solch einer Geschichte einen derart kreativen Rahmen zu geben.
Wie bereits bei "Alles steht Kopf", in seiner beeindruckenden Szene im zweidimensionalen Raum, kombiniert auch "Soul" verschiedene Animationsstile miteinander. Die Quantenwesen die über das Davor- und das Jenseits bestimmen sind beispielsweise zweidimensional gehalten und auch ansonsten darf sich Pete Docter voll austoben. Dank schwarz-weiß Szenen im kosmischen Raum, bis hin zu Verzerrungen in Raum-und-Zeit dank der man sich fast an das Finale von "Interstellar" zurückerinnert fühlt, ist "Soul" auch visuell ein beeindruckender Film. Dass das auch für die allgemeine Qualität der Animationen gilt, ist bei Pixar ohnehin selbstverständlich. Sowohl New York mit seinen glänzen Instrumenten und dreckigen U-Bahnen, als auch das Davorseits mit seinen knuffigen Bewohnern sehen einfach klasse aus. Dazu passt auch der größtenteils jazzige Soundtrack des Films. Ohnehin macht in "Soul" wieder einmal der Ton die Musik, immerhin spielt die Musik wie bereits in "Coco" eine gewichtige Rolle innerhalb der Geschichte und Pixar gelingt es wieder zahlreiche Gänsehaut-Momente zu kreieren. Am Ende des Films sind dann auch wieder die fast schon obligatorischen Tränen bei mir gekullert. "Soul" mag nicht so emotional sein wie "Alles steht Kopf" und nicht alle Konzepte des Films greifen so perfekt ineinander wie beim für mich besten Film des Jahres 2015, auf ein sehr emotionales Ende und eine tolle Botschaft muss jedoch niemand verzichten. Zumal das Gefühl mit dem "Soul" seine Zuschauer vom Sofa entlässt auch kaum zu einer besseren Zeit hätte kommen können, immerhin können viele in der Trostlosigkeit der Corona-Pandemie etwas Inspiration gut gebrauchen.
Fazit
Pixar hat es wieder einmal geschafft alle meine Hoffnungen zu erfüllen und liefert am Ende eines schwierigen Filmjahres noch einmal ein echtes Highlight ab. Der beste Pixar-Film seit "Coco" richtet sich mehr denn je an ein erwachsenes Publikum und schreckt erneut nicht davor zurück, die ganz großen Fragen des Lebens zu stellen. So erwachsen die Sinnsuche des unglücklichen Jazz-Musikers auch sein mag, dank der knuffigen Seelen-Welt und der Körpertausch-Komödie im Mittelteil dürften sicherlich auch die Kleinen wieder auf ihre Kosten kommen. Sicher greifen in "Soul" die einzelnen Konzepte nicht ganz so perfekt ineinander wie noch bei "Alles steht Kopf", Pete Docter gelingt mit seinem launigen Animationsabenteuer, das spätestens gegen Ende auch wieder für die ganz großen Gefühle sorgt, aber ein absolut fantastischer Film. "Soul" ist einer der besten Filme des Jahres und einer den kein Abonnent von Disney+ verpassen sollte!
9/10
Poster&Trailer: © Walt Disney