Mindhunter - Staffel 2

Staffelstart: 16.08.2019 | Anbieter: Netflix | Episoden: 9 | FSK: 16 | Land: USA | Genre: Krimi, Drama, Thriller | Originaltitel: Mindhunter


Kritik

"Wie können wir Psychopathen einen Schritt voraus sein, wenn wir nicht wissen, wie sie ticken?" Mit der Netflix-Serie "Mindhunter" hat vor zwei Jahren eine Serie das Licht der Welt erblickt, die einiges anders machte als gewöhnliche Krimis oder Thriller. Statt die übliche Frage nach dem Whodunit zu stellen, also wer das Verbrechen begangen hat, ging man zum Whydunit über, also warum das Verbrechen begangen wurde. Die fiktiven FBI-Profiler Holden Ford und Bill Tench trafen bei ihren Befragungen dabei auf reale Serienmörder wie Ed Kemper. Allerdings hatte zumindest Holden Ford mit dem Profiler John E. Douglas ein reales Vorbild. Douglas stand von 1970 bis 1995 im Dienste des FBI und schuf als Kriminalpsychologe das Profiling-Programm des FBI und erfand Begriffe wie die des Serienmörders. "Mindhunter" basiert dabei auf dem Buch "Die Seele des Mörders: 25 Jahre in der FBI-Spezialeinheit für Serienverbrechen" von Douglas und ist nach "House of Cards", die zweite Serie von Thriller-Mastermind David Fincher ("Sieben"). Die zweite Staffel der düsteren Serie bietet wieder akribische Detektivarbeit, gepaart mit einer unvergleichlichen Atmosphäre, die einen über alle neun Episoden hinweg in ihren Bann zieht. Dennoch kann Staffel 2 das Niveau der ersten Staffel leider nicht ganz halten.

 

Die zweite Staffel von "Mindhunter" setzt ein, wo die erste Staffel geendet hat. Bei seiner erneuten Befragung von Serienmörder Ed Kemper (Cameron Britton), wurde Holden Ford (Jonathan Groff) von Kemper bedroht und erlitt daraufhin eine Panikattacke. Entsprechend beginnt die zweite Staffel am Krankenbett des Profilers. Zurück in der FBI-Einrichtung in Quantico erwartet Ford dann ein neuer Vorgesetzter, der sich für ihn und sein Team jedoch als Glücksfall herausstellt. Im Gegensatz zum bisherigen Vorgesetzten steht dieser dem neuen Profiling-Programm mehr als aufgeschlossen gegenüber und vergrößert die Abteilung von Ford signifikant. Von da aus nimmt die Geschichte an Fahrt auf, geht allerdings andere Wege als noch in Staffel 1. Die mutige Whydunit-Struktur wird im Staffelverlauf leider aufgebrochen und wandelt sich in einen typischen Whodunit-Plot. Das ist zwar nicht sonderlich tragisch, immerhin bietet die wahre Geschichte um die Kindermorde in Atlanta genug Konfliktpotenzial und Spannung, trotzdem ist eine Abkehr von den Verhören der Serienmörder durchaus schade. Immerhin waren diese Verhöre das Prunkstück der ersten Staffel, was zum einen an der großartigen Besetzung der Serienmörder lag, zum anderen an Holden Ford selbst, der mit seinen unorthodoxen Methoden nicht nur aneckte, sondern auch faszinierte. In der neuen Staffel wohnen wir hingegen nur einem nennenswerten Verhör von Ford und seinem Partner Bill Tench (Holt McCallany) bei. Die fünfte Episode mit dem Verhör des legendären Charles Manson, ist dann auch gleich die beste der Staffel, da sich hier alle Stärken der Serie zeigen. Das Verhör ist ungemein intensiv, weil sich ein tiefes Gespräch zwischen ihm und Bill entwickelt und der Manson-Darsteller Damon Herriman eine großartige Performance an den Tag legt. Witzigerweiße hat Herriman wohl ein Abo auf diese Rolle, immerhin war Herriman auch schon in "Once Upon a Time in Hollywood" als Charles Manson zu sehen. Dennoch wird der Anführer der Manson-Familie im Gegensatz zu vielen anderen Filmen oder Serien nicht zelebriert, sondern wie alle anderen Serienmörder viel eher entzaubert. Eine weitere Stärke der Thriller-Serie. Ganz auf die interessanten Verhöre muss man als Zuschauer jedoch nicht verzichten, denn einige davon werden von den weiteren Teammitgliedern um Dr. Wendy Carr (Anna Torv) und Gregg Smith (Joe Tuttle) übernommen, was immerhin für Abwechslung sorgt. 

Das größte Problem der Staffel ist jedoch der Hauptcharakter Holden Ford, mit dem die Drehbuchautoren scheinbar nur wenig anzufangen wussten. In der ersten Staffel bekam der Charakter mit einer privaten Liebesgeschichte mehr Tiefe und Holdens Wandel vom unerfahrenen Grünschnabel hin zum selbstverliebten Ermittler war gelungen. Darüber hinaus verliehen die unorthodoxen Methoden Holdens, dem Charakter eine Faszination, die mich sehr an Matthew McConaugheys legendären Charakter Rust Cohle aus "True Detective" erinnerte. In der neuen Staffel verkommt Holden jedoch fast zu einer Art Randfigur. Man verzichtet auf eine private Hintergrundgeschichte, von seiner oberflächlichen Bekanntschaft mit der Hotel-Empfangsdame einmal abgesehen, und hält den Ermittler insgesamt an einer kurzen Leine. Dadurch kommt der verschlossene Charakter kaum zur Entfaltung und verliert leider viel von seiner Magie, was überaus schade ist. Stattdessen übernimmt sein Partner Bill Tench die Hauptrolle. Dieser bekommt ein sehenswertes Familiendrama auf den Leib geschneidert, dass sich ganz um den schweigsamen Sohn des Ermittlers, sowie seiner angeschlagenen Beziehung zu seiner Frau Nancy dreht. Vielleicht hätte es nicht gleich ein Mord sein müssen, durch den das Familiendrama seinen Lauf nimmt, spannend sind die privaten Einschübe mit Bill jedoch zweifellos. Zumal der Ermittler sehr mit seiner Doppelrolle als Familienvater und Ermittler zu kämpfen hat und nirgends zu 100% anwesend ist. Auch der privaten Hintergrundgeschichte um Dr. Wendy Carr wird mehr Zeit eingeräumt als noch in der ersten Staffel. Anfangs ist ihre lesbische Liebesgeschichte, die damals alles andere als unproblematisch war, noch gelungen, im Laufe der Zeit wirkt die Geschichte jedoch mehr und mehr deplatziert. Gerade in der zweiten Hälfte der Staffel ist kaum noch etwas von Wendy zu sehen, da sich der Fokus sehr auf die Kindermorde in Atlanta legt. Das sorgt zwar zum einen für gehörig Spannung, zum anderen gelingt es den Autoren jedoch nicht der Liebesgeschichte einen zufriedenstellenden Abschluss zu geben. Insgesamt lässt sich ein deutliches Ungleichgewicht in der Behandlung der Charaktere nicht verleugnen.

Dass "Mindhunter" trotzdem wieder eine starke Staffel hinlegt, liegt mehr denn je an der herausragenden Atmosphäre der Serie. David Finchers Stil ist in jeder Einstellung zu spüren und der Regisseur macht wieder einmal deutlich, warum es in Hollywood keinen besseren Thriller-Regisseur als ihn gibt. Immerhin inszeniert Fincher die ersten drei Episoden der zweiten Staffel, anders als noch in "House of Cards", in der er die Inszenierung nach den ersten beiden Episoden der Serie anderen überließ. Dass Fincher nun auch in Staffel 2 das Zepter in der Hand trägt und nicht nur im Hintergrund agiert, ist ein Glücksfall für die Serie. Die düsteren Bilder, der minimalistische Soundtrack, sowie die herausragenden Darsteller, sorgen für eine bedrückende Atmosphäre. Hinzu kommt ein hohes Bingewatching-Potenzial obwohl die Serie eher langsam und dialoglastig daherkommt. Allerdings entwickelt "Mindhunter" eine geradezu hypnotische Sogwirkung, die dafür sorgt, dass man den Blick nicht vom Bildschirm nehmen kann.

 

Fazit

Leider erreicht die zweite Staffel von "Mindhunter" nicht ganz das Niveau des Vorgängers (9/10). Dafür rückt der faszinierendste Charakter der Serie, Holden Ford, zu sehr in den Hintergrund, der mit seinen unorthodoxen Verhörmethoden einst Erinnerungen an Matthew McConaughey in "True Detective" wecken konnte. Dieser Teil komm jedoch leider zu kurz, da sich aus der Whydunit-Struktur der ersten Staffel, eine gewöhnliche Whodunit-Struktur entwickelt, die zwar für ordentlich Spannung sorgt, bei der jedoch das Alleinstellungsmerkmal der ersten Staffel verloren geht. Dank der starken Darsteller und der herausragenden Inszenierung von David Fincher, ist jedoch auch die zweite Staffel wieder sehr gelungen. 

 

8/10


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Poster&Trailer: © Netflix