Ms. Marvel - Miniserie

Staffelfinale: 13.07.2022 | Anbieter: Disney+ | Episoden: 6 | FSK: 12 | Land: PAK, USA | Genre: Coming of Age, Komödie


Kritik

Unaufhörlich dreht sich die Marvel-Maschinerie weiter und so erscheint nur wenige Tage nach dem Kinostart von „Thor: Love and Thunder“ die finale Episode von „Ms. Marvel“. Die inzwischen siebte MCU-Serie schickt ihre erste muslimische Heldin in den Ring und versucht mit einer 16-jährigen Hauptakteurin vor allem eine junge Zielgruppe anzusprechen. Der Trailer gefiel mir vor wenigen Monaten deswegen überhaupt nicht, ganz im Gegensatz zum düsteren Trailer von „Moon Knight“, da die Miniserie schon sehr nach einem überdrehten Young-Adult-Stoff aussah, der erwachsene Zuschauer des MCU größtenteils außen vor lassen würde. Umso ironischer ist es nun, dass mir „Ms. Marvel“ sogar besser gefällt als das lahme Ägypten-Abenteuer mit Oscar Isaac. Dafür sorgt die unbändige Energie des unterhaltsamen Werks und die großartige Hauptdarstellerin Iman Vellani aka Kamala Khan, die zum besten Neuzugang der gesamten vierten Phase heranreift. 

 

Die 16-jährige Teenagerin Kamala Khan (Iman Vellani) lebt mit ihrer muslimischen Familie mit pakistanischen Wurzeln in Jersey City und ist großer (und vermutlich auch einziger) Fan von Brie Larsons Captain Marvel. Als sie in Besitz eines mysteriösen Armreifes gelangt, der ihr besondere Fähigkeiten verleiht, eifert sie ihrem Idol nach, muss aber erst herausfinden, was für eine Superheldin sie eigentlich sein will.

„Ms. Marvel“ startet überaus erfrischend als klassische Coming-of-Age-Serie, die in ihren ersten beiden Episoden die Superheldennummer lediglich am Rand behandelt. Stattdessen steht Kamala Khan mit den normalen Problemen einer Jugendlichen und ihrer strengen Mutter im Fokus. Der Auftakt ist dabei bärenstark, zum einen, weil Kamala als selbstbewusste und scharfsinnige Teenagerin begeistert, zum anderen, weil der quirlige Stil mit seinen visuellen Spielereien und dem mitreißenden Soundtrack die Zuschauer:innen sofort in den Bann zieht. Fast erwartungsgemäß kann die Serie das hohe Niveau der ersten beiden Folgen nicht halten, denn wenn sich ab Episode 3 der Fokus vom Coming-of-Age-Part zur Superheldengeschichte verschiebt, verliert die Miniserie an Schwung. Denn leider ist dieser Part nicht gut ausgearbeitet und gerade das Weltuntergangsszenario, das die Macher:innen heraufbeschwören, bleibt eher vage und will nicht zum Rest des geerdeten Settings passen. Zwar bekommt die Riege der Bösewichte durch die Familiengeschichte Kamalas einiges an Tiefe spendiert, überzeugen kann die komische Handlung um Dschinns, Clandestines und Noor allerdings nicht. Entsprechend sind die Antagonisten kaum zu greifen und keine wirkliche Bedrohung, weswegen sie zur schlechtesten Sorte der MCU-Bösewichte gehören. Während die Episoden 3-5 daher nur mäßig zu unterhalten wissen, bleiben wenigstens die historischen Hintergründe der Handlung interessant. Immerhin verschlägt es die Serie in der vorletzten Episode auch mal nach Pakistan im Jahr 1942 und die Unabhängigkeit Indiens vom britischen Königreich spielt ebenfalls eine nicht unwesentliche Rolle. Generell wirkt der Ansatz einer muslimischen Superheldin längst nicht so aufgesetzt wie beispielsweise bei die ägyptische Superheldin aus „Moon Knight“, die noch schnell in der letzten Folge in den Ring geworfen wurde. Stattdessen ist die muslimisch-pakistanische Kultur und Tradition ein großer Bestandteil dieser Serie, was einen interessanten Einblick in eine Kultur gibt, die gerne mal negativ dargestellt wird. Und dann ist da ja noch das Staffelfinale, das nach den drei eher durchwachsenen Folgen den Unterhaltungsfaktor wieder stark erhöht und der Miniserie ein gelungenes Ende spendiert, dass auch emotional die richtigen Töne trifft.

Hauptargument für die Serie bleibt jedoch Newcomerin Iman Vellani, die in ihrer ersten Rolle überhaupt (!) eine starke Performance hinlegt und ihrer tollen Hauptfigur jede Menge Leben einhaucht. Einzig Comicleser könnten sich an den großen Veränderungen ihres Charakters stören. So wurde ihr ganzer „Inhumans“-Background ersetzt und sie erhält komplett andere Kräfte als in der Vorlage. Während Kamala im Comic wie Reed Richards aus „Fantastic Four“ oder Elastigirl aus „Die Unglaublichen“ ihre Gliedmaßen in die Länge ziehen kann, verleiht der Armreif ihr in der Serie eine Art violettes Kraftfeld. Da ich die Comics nicht kenne, haben mich die Unterschiede nicht gestört, zumal sie sich so wenigstens von ihren berühmten Vorbildern unterscheidet und nicht einfach wie eine „Fantastic Four“-Kopie daherkommt. Ebenfalls positiv hervorzuheben ist ihre Filmmutter Muneeba Khan (Zenobia Schroff), die in ihrer strengen und traditionalistischen Rolle auch zu überzeugen weiß und Matt Lintz als Bruno Carrelli, der als technikbegeisterter Sidekick Erinnerungen an Q und vor allem an Peter Parker weckt, nur ohne besondere Kräfte zu besitzen. Hinzu kommen unzählige (!) Nebencharaktere, die allesamt nicht besonders ausgearbeitet sind und entsprechend eher als Comic Relief funktionieren. Die Situationskomik funktioniert aber erstaunlich gut und die mäßigen Nebencharaktere sind daher immerhin witzig geworden.

In Sachen Inszenierung ist „Ms. Marvel“ größtenteils gelungen. Die quirlige Serie hat ihren ungemeinen Flow gerade den kreativen visuellen Spielereien, wie den Texteinblendungen in der Umgebung zu verdanken, während der tolle Soundtrack zwischen Hip-Hop und arabischen Klängen schwankt und dabei ebenfalls sehr gelungen ist. Zwischen Folge 3 und 5 neben diese Spielereien und der Musikeinsatz jedoch deutlich ab, was auch ein Grund für den lahmen Mittelteil der Serie ist. Spätestens das Staffelfinale dreht die Regler dann aber wieder auf und sorgt für einen unterhaltsamen Abschluss. Zumal dann auch die Action endlich knallt, die zuvor etwas lahm und unspektakulär in Szene gesetzt wird. Großer Pluspunkt sind jedoch die guten Effekte, bei denen ein Totalausfall wie bei der Verfolgungsjagd in der ersten Episode von „Moon Knight“ zum Glück ausbleibt. 

 

Fazit

Meine große Skepsis nach den Trailern weicht einer vorsichtigen Begeisterung, denn Kamala Khan ist eindeutig der bisher beste Neuzugang der vierten MCU-Phase! Newcomerin Iman Vellani legt als erste muslimische Heldin ein beeindruckendes Debüt hin und die 16-jährige Teenagerin dürfte schon jetzt Carol Danvers in der kommenden „Captain Marvel“-Fortsetzung „The Marvels“ die Show stehlen. Nach einem starken Auftakt in den ersten beiden Episoden, in denen der Coming-of-Age-Part im Vordergrund steht und die quirlige Serie mit ihrem tollen Soundtrack sowie zahlreichen visuellen Spielereien überzeugt, ist dann auch das actionreiche und emotionale Staffelfinale wieder gelungen. Das war auch bitternötig, denn „Ms. Marvel“ verliert im Mittelteil, wenn in Episode 3-5 die lahme Superheldengeschichte im Vordergrund steht, leider ordentlich an Schwung. Dafür sorgen auch die miesen Antagonisten und eine nie greifbare Bedrohung. Die großen Einflüsse der muslimisch-pakistanischen Kultur und Traditionen verleihen der Serie aber eine deutlich gelungenere Origin-Story als beispielsweise „Moon Knight“, deren ägyptische Heldin im Staffelfinale total aufgesetzt wirkte. Trotz des großen Durchhängers im Mittelteil sichert sich die inzwischen siebte Marvel-Serie auf Disney+ einen Platz in meiner Top 3 der MCU-Serien, direkt hinter „WandaVision“ und gemeinsam mit „Loki“. Ein gutes Debüt für einen wunderbaren neuen Charakter!

 

7/10


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Poster&Trailer: © Walt Disney