Hollywood und sein LGBTQ-Problem

Wieso das Blockbuster-Kino zwischen mehr Diversität und finanziellem Erfolg gefangen ist.

Jack Whitehall, Emily Blunt und Dwayne Johnson in "Jungle Cruise" © Walt Disney
Jack Whitehall, Emily Blunt und Dwayne Johnson in "Jungle Cruise" © Walt Disney

August 2021 -  Der neue Disney-Film „Jungle Cruise“, der vor kurzem im Kino und auf Disney+ seine Premiere feierte, ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich das Frauenbild in den letzten Jahren ins Positive gewandelt hat. Gleichzeitig ist er aber auch ein gutes Beispiel dafür, wie viele Probleme LGBTQ-Charaktere den Hollywood-Studios nun bereiten. Während sich die toughe Emily Blunt an der Seite von Dwayne Johnson durch den Dschungel schwingt und dabei unzählige Stunts absolviert, fristet der Sidekick der beiden, der britische Comedian Jack Whitehall, ein eher trostloses Dasein. Sein Charakter outet sich im Verlauf des Films als Homosexuell, allerdings auf eine Art und Weise, die man aktuell in vielen großen Filmen und Serien sieht: Im kurzen Gespräch mit Dwayne Johnson erklärt er, dass seine Interessen "woanders" liegen, doch über diese Andeutung hinaus, passiert nichts. Viel schlimmer: Whitehalls Charakter werden eben jene vorurteilshaften Charakterzüge zugesprochen, die bis vor kurzem noch Frauen vorbehalten waren. Sein Charakter muss ständig gerettet werden, er erscheint mit hunderten Koffern zur Expedition und ist in Kampfsituationen völlig unfähig. Seine homosexuelle Figur steht sinnbildlich dafür, was in Hollywood in letzter Zeit schief läuft. Gerade Disney ist zwar um mehr Diversität bemüht, schafft es jedoch nicht genügend Mut aufzubringen, um der LGBTQ-Community mehr zu bieten als kleine Zugeständnisse. Völlig egal ob es sich dabei um den ersten gleichgeschlechtlichen Kuss in einem Disney-Film handelt, der in „Die Schöne und das Biest“ im Hintergrund und nur für den Bruchteil einer Sekunde zu sehen ist, oder um das bisexuelle Outing von Loki in der gleichnamigen MCU-Serie, was ebenfalls nur in einem Halbsatz passiert und danach nie wieder aufgegriffen wird (Stattdessen geht er sogar eine heterosexuelle Beziehung mit seiner Begleitung ein).

Homosexuell oder nicht? Jude Law in "Phantastische Tierwesen" © Warner Bros.
Homosexuell oder nicht? Jude Law in "Phantastische Tierwesen" © Warner Bros.

Das Problem beschäftigt natürlich nicht nur Disney, sondern sämtliche Studios in Hollywood. Als großer „Harry Potter“-Fan ärgere ich mich beispielsweise schon lange darüber, wie mit Albus Dumbledore umgegangen wird. Laut J.K. Rowling ist Dumbledores Charakter homosexuell, gesehen hat man davon aber noch nichts. Es ist weder in den Büchern ersichtlich, ob Dumbledores Beziehung mit Grindelwald nun romantischer oder doch nur freundschaftlicher Natur ist und auch die beiden „Phantastische Tierwesen“-Filme haben bisher kein Licht ins Dunkel gebracht. Es ist letztendlich ein ebenso halbherziger Versuch einen diversen Charakter in die eigene Geschichte zu schreiben, wie bei den oben genannten Filmen, bei denen es lediglich bei Anspielungen bleibt. Wenn die Studios sich schon nicht trauen in angemessenem Rahmen diverse Charaktere zu inkludieren, dann sollen sie es lieber gleich bleiben lassen. Denn so wirken viele Charakter-Outings lediglich wie das Abhaken auf einer Checkliste, damit das Studio am Ende sagen kann: „Seht an, wir haben einen LGBTQ-Charakter in unserem Film“.

 

Die Gründe hierfür sind natürlich einleuchtend: Während sich in den USA und Europa viele nach mehr Diversität sehnen, gilt das eben nicht für allen Länder. Gerade konservative Länder wie Russland und China machen Hollywood das Leben schwer, die gleichgeschlechtliche Anspielungen gerne aus den Filmen verbannen. Letzten Endes geht es also vor allem um eins: Geld. Immerhin beweisen kleinere Filme und Serien regelmäßig, dass es auch anders geht. Gerade Netflix muss immer wieder als Paradebeispiel dafür genannt werden, wie gelungene Inklusion aussehen kann. Aber auch Disney hat mit Serien wie „Love, Victor“ auf dem hauseigenen Streaming-Dienst, Gegenbeispiele zur eher konservativen Taktik ihrer Blockbuster zu bieten. Letzten Endes müssen die großen Filme eben eine Menge Geld einspielen, um ihre teils gigantischen Budgets wieder auszugleichen. Dadurch ist man auf die Einspielergebnisse aus Russland und allen voran aus China angewiesen. Ich frage mich nur, ob Hollywood vor den Zensoren der Länder so in die Knie gehen muss? Hollywood wird sich am Ende all dieser halbherzigen Versuche schon bald eine Frage stellen müssen: Leben die Studios im 21. Jahrhundert und sorgen auch in Filmen für die breite Masse, für mehr Diversität auf der Leinwand oder passen sie sich lieber weiter den Zensoren Chinas und Russlands an?

Bei Amazon jetzt undenkbar: Leonardo DiCaprios Durchbruch als behinderter Junge in "Gilpert Grape" © Paramount
Bei Amazon jetzt undenkbar: Leonardo DiCaprios Durchbruch als behinderter Junge in "Gilpert Grape" © Paramount

Den ersten Vorstoß in diese Richtung unternahm nun ausgerechnet der Internet-Gigant Amazon, der seit kurzem neue Richtlinien zur Inklusion und Diversität in ihren Filmen erlassen hat. Das Ziel: In den hauseigenen Filmen „sollen nur noch Schauspieler besetzt werden, deren Identität (Geschlecht, Geschlechtsidentität, Nationalität, Ethnizität, sexuelle Orientierung, Behinderung) mit den Figuren, die sie spielen, übereinstimmt.“ Ein nobler Versuch des Streaming-Giganten, der allerdings über das Ziel hinaus schießt. So unkte Filmkritiker Wolfang M. Schmitt auf Twitter bereits treffenderweise mit den Worten „Abschaffung der Schauspielerei“. So unverständlich manche Casting-Entscheidungen auch sein mögen, so sehr würde es der Schauspielerei und der kreativen Freiheit der Künstler schaden, wenn Schauspieler nur noch sich selbst spielen dürften. Die Fähigkeit eines Schauspielers sich in einen fremden Charakter hineinzuversetzen und ihn dem Zuschauer auf emotionaler Ebene zu vermitteln, würde einer künstlich heraufbeschworenen Authentizität weichen, die der Kunstform jegliche Anziehungskraft nehmen würde. Wer würde denn dann den Oscar gewinnen? Wer am besten er/sie selbst ist? Davon abgesehen hat es niemanden zu interessieren, welche sexuelle Orientierung der/die Schauspieler bzw. Schauspielerin hat. Dass sich Hollywood nach Debatten wie #oscarssowhite und #timesup inzwischen um mehr Diversität bemüht, steht außer Frage. Gleichzeitig liegt aber auch noch ein weiter Weg vor den Hollywood-Studios.


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