Marriage Story

Streaming-Start: 06.12.2019 | Laufzeit: 136 Minuten | FSK: 6 Land: USA | Genre: Drama, Komödie, Romanze | Originaltitel: Marriage Story


Kritik

Als Netflix im Jahr 2015 seinen ersten Original-Film "Beasts of No Nation" veröffentlichte, war das Ziel klar: Der Streaming-Anbieter wollte einen Oscar gewinnen und damit zu den ganz großen Produktionsfirmen im Filmgeschäft gehören. Das Kriegsdrama über Kindersoldaten brachte Netflix noch nicht den gewünschten Erfolg ein, doch bei der Oscarverleihung 2019 gingen gleich vier Trophäen an Netflix, allein drei davon für Alfonso Cuaróns mexikanisches Drama "Roma". So richtig Prestigeträchtig war dieser Sieg jedoch nicht, da die Preise vor allem Cuarón zugeschrieben wurden und außerdem der Oscar für den "Besten Film" fehlte. In diesem Jahr macht Netflix jedoch ernst und schickt nicht nur den 150 Millionen Dollar teuren Scorsese-Thriller "The Irishman" ins Rennen, sondern hat mit dem Beziehungsdrama "Marriage Story" noch ein weiteres Ass im Ärmel. Seit den herausragenden Kritiken für beide Kandidaten, gelten die beiden Netflix-Filme als die Top-Favoriten der kommenden Verleihung. Dem großartigen "The Irishman" schickt man nämlich nur eine Woche später, einen weiteren brillanten Film hinterher. Noah Baumbachs "Marriage Story" erzählt vom Ende einer Ehe und ist Schauspielkino in seiner reinsten Form. Gerade die beiden Hauptdarsteller Adam Driver und Scarlett Johansson waren noch nie besser.

 

Für Regisseur und Drehbuchautor Noah Baumbach ist es nach "The Meyerowitz Stories" im Jahr 2017, bereits der zweite Netflix-Film. Der Sohn zweier Filmkritiker erzählt in "Marriage Story" die Geschichte der beiden Ehepartner Nicole (Scarlett Johansson) und Charlie (Adam Driver). Er ist ein bekannter Theater-Regisseur, sie seine talentierte Hauptdarstellerin und die beiden leben mit ihrem Sohn Henry (Azhy Robertson) in New York. Was erst einmal nach einer gewöhnlichen Familie klingt, entpuppt sich als Alptraum für alle Romantik-Fans. Denn Baumbach erzählt nicht von den Anfängen der Beziehung oder von den guten Tagen in der Ehe, nein, "Marriage Story" dreht sich ganz und gar um die Scheidung der beiden. Nach den anfänglichen Monologen "Was ich an Nicole bzw. Charlie liebe", die vor süßen und witzigen Details nur so sprudeln, geht es danach in eine Abwärtsspirale, aus der es kein Entkommen zu geben scheint. "Marriage Story" spielt dabei auf einer ganzen Bandbreite an Emotionen, die von Trauer über Wut und Unverständnis, bis hin zu Freude und Hoffnung variieren. So ernst und traurig Noah Baumbachs Film bisweilen ist, ganz depressiv stimmt das Drama jedoch nicht. Baumbach beweist ein gutes Gespür dafür, die Stimmung durch komische Momente wieder aufzulockern, nur damit dem Zuschauer in der nächsten Szene wieder das Lachen im Halse stecken bleibt. "Marriage Story" ist ein Film der ganz aus seinen Emotionen heraus kommt und auch universelle Themen behandelt. Man muss selber keine Scheidung durchgemacht haben um zu verstehen, wie schmerzhaft die Angelegenheit für alle Beteiligten ist. Dank Baumbachs großartigem Skript kommen all die verschiedenen Nuancen dieser Trennung wunderbar zur Geltung und nach und nach setzt sich ein Bild zusammen, in dem es kein Gut und Böse gibt, da alle Charaktere ihre Eigenheiten und Fehler besitzen. 

Ein solches Drehbuch funktioniert jedoch nur, wenn die Darsteller diese Klaviatur an Emotionen auch perfekt bespielen können. Baumbach scheint ein gutes Händchen für seine Darsteller zu besitzen, denn was "Marriage Story" hier abliefert, ist Schauspielkino in seiner reinsten Form. Sämtliche Darsteller glänzen in ihrer Rolle, von Ray Liotta als schmieriger Anwalt Jay, bis hin zu Julie Hagerty als unglaublich witzige Mutter von Nicole. Dennoch ist es am Ende Laura Dern, die als einfühlsame aber bestimmte Anwältin Nora Fanshaw eine herausragende Figur abgibt und bereits jetzt als die große Favoritin im Rennen um den Oscar als beste Nebendarstellerin gilt. Das Gleiche gilt für die beiden Hauptdarsteller Adam Driver und Scarlett Johansson. Johansson war in den vergangenen Jahren in so vielen MCU-Filmen zu sehen, das man beinahe vergessen konnte, was für eine tolle Schauspieler sie eigentlich ist ("Lost in Translation"). Was sie hier jedoch abliefert ist schlichtweg die beste Performance ihrer Karriere und zumindest eine Oscar-Nominierung dürfte ihr für "Marriage Story" sicher sein. Adam Driver gilt indes neben Joaquin Phoenix als Favorit in der Kategorie Bester Hauptdarsteller und das trotz brutaler Konkurrenz. Nach der Sichtung von "Marriage Story" lege ich mich jedoch fest: Adam Driver wird gegen Phoenix, De Niro, DiCaprio und Co. den Oscar gewinnen, denn was der "Star Wars"-Bösewicht hier abliefert, ist schlichtweg sensationell. Eine großartige Performance die der von Johansson lange Zeit in nichts nachsteht, ehe er gegen Ende eine Szene abliefert die alle anderen in diesem Kinojahr übertrifft und nur durch die rohe, unglaublich emotionale Performance für Gänsehaut sorgt. "Joker" hin oder her, der Oscar muss an Adam Driver gehen!

Wenn man diesem großartig geschriebenen und überragend geschauspielerten Film überhaupt etwas ankreiden kann, dann sind es die letzten Szenen des Films. Noah Baumbach tut sich gegen Ende etwas schwer den Film zu einem Ende zu bringen und zieht einige Szenen etwas unnötig in die Länge. So wäre es beispielsweise nicht nötig gewesen noch einmal den anfänglichen Brief zu wiederholen oder Adam Driver den ganzen Song "Being Alive" singen zu lassen. Hier greift Baumbach gefühlt etwas zu sehr nach den Oscars und will in Szenen wie diesen auch zeigen "Seht her, Adam Driver kann auch wunderbar singen, gebt ihm den Oscar!" So kam es mir zumindest vor, doch das hätte weder der Film noch Adam Driver nötig gehabt um viele Goldjungen abzustauben. Letztendlich ist das aber meckern auf allerhöchsten Niveau, denn "Marriage Story" gehört auch so zu den besten Filmen des Jahres, den alle Netflix-Abonnenten auf keinen Fall verpassen sollten.

 

Fazit

Von einigen wenigen, in die Länge gezogenen Szenen gegen Ende einmal abgesehen, ist "Marriage Story" ein exzellenter und berührender Film über das Ende einer Ehe geworden. Noah Baumbachs nuanciertes Drehbuch und die phantastischen Darbietungen der Darsteller, machen den Netflix-Film völlig zurecht zu einem der größten Oscar-Favoriten. Allen voran Laura Dern, Scarlett Johansson und Adam Driver, der dank einer sensationell gespielten Szene gegen Ende des Films, sogar meinen bisherigen Favoriten Joaquin Phoenix ablöst, dürfen sich Hoffnungen auf einen Goldjungen machen. Netflix gelingt kurz nach dem großartigen "The Irishman" erneut einen der besten Filme des Jahres, den kein Netflix-Abonnent verpassen sollte!

 

8/10


Kommentare: 0

Poster&Trailer: © Netflix