1917

Kinostart: 16.01.2020 | Laufzeit: 119 Minuten | FSK: 12 Land: GBR, USA | Genre: Krieg, Drama


Kritik

Zum Jahreswechsel galt das Kriegsdrama „1917“ noch als Aussenseiter in der anstehenden Oscar-Saison. Doch dann kamen die Golden Globes und „1917“ räumte die Hauptpreise als „Bester Film - Drama“, sowie „Beste Regie“ ab. Nur eine Woche später konnte der Film ganze 10 Nominierungen einheimsen und zählt damit zu den ganz großen Oscar-Favoriten. Der neue Film von „Skyfall“- und „Spectre“-Regisseur Sam Mendes bietet allerdings auch feinstes Oscarmaterial. Die intime Geschichte zweier britischer Soldaten, die inmitten des ersten Weltkrieges eine gefährliche Mission aufgetragen bekommen, trifft auf die großen Bilder von Kameramann Roger Deakins. Lange Zeit galt Deakins als einer der größten Verlierer Hollywoods, da er bei 13 Nominierungen nie den Oscar gewann. Das änderte sich erst mit seiner 14. Nominierung, als er endlich für sein phänomenal bebildertes Sci-Fi-Meisterwerk „Blade Runner 2049“ ausgezeichnet wurde. Für „1917“ wird es nun direkt seinen zweiten Oscar geben, denn Deakins ist der eigentliche Star eines Films, der ohne Schnitt auskommt und dadurch ein echtes Mittendrin-Gefühl auslöst.

 

Allein deswegen müssen wir schon über die technische Komponente zuerst sprechen. "1917" folgt Vorbildern wie "Birdman" und "Victoria" und konzipiert seine Geschichte in einem einzigen endlosen Take. Genau wie in Alejandro G. Iñárritus Werk "Birdman" wird auch hier sehr wohl geschnitten, doch jene Schnitte sind gut versteckt und es wirkt tatsächlich so, als wenn der ganze Film in einem Durchgang gedreht worden wäre, wie es der deutsche Film "Victoria" im Jahr 2015 gemacht hatte. Dadurch entsteht nicht nur ein starkes Mittendrin-Gefühl, auch die Authentizität der in Echtzeit verlaufenden Geschichte wird dadurch erhöht. "1917" legt seinen One-Taker aber in einer Größe an, wie sie noch nie zuvor gesehen wurde. Immerhin spielen fast alle Szenen in der freien Natur und die Bilder die Roger Deakins damit kreiert sind wirklich fantastisch. Gerade in der zweiten Hälfte des Films folgen einige visuelle Leckerbissen. Da wird in der Nacht mit den Schatten der Leuchtfeuer gespielt und in einer Massenszene im Finale des Films, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Mehrmals muss man sich als Zuschauer fragen wie Deakins diese Szenen hinbekommen hat und der Kamera-Oscar ist völlig zurecht bereits beschlossene Sache. Ohne einen fähigen Regisseur wäre jedoch selbst Roger Deakins aufgeschmissen. Sam Mendes, der die letzten beiden "James Bond"-Abenteuer inszenieren durfte, hat seinerseits bereits den Regie-Oscar gewonnen, für sein Meisterwerk "American Beauty" im Jahr 1999. Man kann mit gutem Recht behaupten, dass "1917" seine seither beste Regie-Arbeit darstellt. Die Inszenierung ist stimmig und die grandiosen Bilder werden von einem tollen Soundtrack und einer hervorragenden Ausstattung gestützt. Auf der technischen Seite überzeugt das Kriegsdrama vollends.

Sam Mendes zeichnet sich jedoch auch für das Drehbuch verantwortlich, welches er gemeinsam mit Krysty Wilson-Cairns verfasste. "1917" erzählt zwar keine wahre Geschichte, Mendes ließ sich aber von den Erzählungen seines Großvaters inspirieren, der im ersten Weltkrieg gekämpft hatte. Ein Story-Meisterwerk sollte man jedoch nicht erwarten. Die Handlung ist der Inszenierung gegenüber klar untergeordnet. Die Geschichte der beiden britischen Soldaten ist simpel: Um eine Nachricht an ein entferntes Bataillon zu übermitteln, die im Begriff sind mit 1.600 Soldaten in eine Falle zu laufen, müssen sie sich durch die feindlichen Linien schlagen um diese Nachricht zu übermitteln. Darüber hinaus hat das Kriegsdrama auch nichts zu erzählen. Das ist eigentlich auch nicht schlimm, denn "1917" ist in erster Linie als Erlebnis konzipiert. Es soll den Alltag und den Überlebenskampf im ersten Weltkrieg sehr realitätsgetreu nachstellen und es geht darum, mit den beiden Soldaten mitzuleiden und mitzufiebern. Ein gutes Beispiel für einen exzellenten Überlebensthriller dessen Story auch nur Mittel zum Zweck war, ist der Sci-Fi-Film "Gravity" von Alfonso Cuaron. Dieser hatte mich damals komplett durch den Fleischwolf gedreht und mich von Anfang bis Ende mitgerissen wie kein zweiter Film vorher. An dieses Meisterwerk reicht die Intensität von "1917" jedoch nicht heran. Klar, die Spannung ist von Anfang an greifbar und da jederzeit ein Schuss aus dem Nichts kommen kann, herrscht zu jeder Zeit auch ein Gefühl der Anspannung. Komplett in den Sitz gedrückt hat mich das Kriegsdrama jedoch nicht. Dafür fehlt es der Geschichte gerade in der ersten Hälfte noch etwas an Schwung. Das gezeigte ist zwar richtig sehenswert, stark wird der Film jedoch erst in der zweiten Hälfte, in der die Dramatik deutlich zunimmt. 

Wichtig sind bei einer so einfachen Geschichte vor allem die Charaktere. In diesem Fall sind das die beiden britischen Soldaten Blake und Schofield, die von "Game of Thrones"-Star Dean-Charles Chapman und George MacKay verkörpert werden. Sam Mendes hat sich bewusst für zwei eher unbekannte Gesichter entschieden, weil er im Sinne der Spannung keinen Superstar wollte bei dem sich das Publikum sicher ist, dass er bis zum Ende des Films überlebt. Die Entscheidung geht in sofern auf, als dass Chapman und MacKay ihre Sache sehr ordentlich machen und die Angst der Soldaten glaubhaft verkörpern. Wie bei der Handlung gilt jedoch auch hier: Der letzte Funke Sympathie will nicht so recht auf den Zuschauer überspringen, weswegen der Überlebenskampf der beiden auch nicht so mitreißend ausfällt wie er hätte sein können. Die Hollywood-Stars drücken sich derweil in den Nebenrollen die Klinke in die Hand. Von Oscarpreisträger Colin Firth ("The King's Speech"), über Andrew Scott ("Sherlock"), Mark Strong ("Kingsman"), bis hin zu Benedict Cumberbatch ("Doctor Strange"). Die Stars sind in den teils kleinsten Nebenrollen zu sehen und haben mitunter gerade einmal 1-2 Minuten Leinwandzeit. Entsprechend schwer fällt es ihnen bleibenden Eindruck zu hinterlassen, am ehesten gelingt das noch Andrew Scott, der einige treffende Kommentare über die Sinnlosigkeit des Krieges zum Besten geben darf.

 

Fazit

Der ganz große Wurf ist Regisseur Sam Mendes mit seinem Kriegsdrama "1917" nicht gelungen. Dafür fehlt es der einfachen Geschichte etwas an Dramatik und den beiden Hauptcharakteren etwas an Sympathie. Dadurch wirkt der als Erlebnis konzipierte Film nicht ganz so mitreißend wie beispielsweise das hochspannende Meisterwerk "Gravity" aus dem Jahr 2013. Nichtsdestotrotz ist aus "1917" ein starker Film geworden, der in seiner ersten Hälfte sehenswert beginnt und in der zweiten Hälfte dann atemberaubend gut wird. Der Star des Films ist dabei die herausragende Kameraarbeit von Roger Deakins, der sich Anfang Februar zurecht seinen zweiten Oscar ins Regal stellen darf. Die zehn Nominierungen sind derweil durchaus gerechtfertigt, da der Kriegsfilm gerade in den technischen Aspekten vollends zu überzeugen weiß.

 

8/10


Kommentare: 0

Poster&Trailer: © Universal Pictures