She-Hulk: Die Anwältin - Staffel 1

Staffelfinale: 13.10.2022 | Anbieter: Disney+ | Episoden: 9 | FSK: 12 | Land: USA | Genre: Superhelden, Komödie


Kritik

Jahrelang haben sich Marvel-Fans vergeblich einen Soloauftritt von Mark Ruffalo als grünem Wutmonster gewünscht. Stattdessen blieb der gerne in Vergessenheit geratene „Der unglaubliche Hulk“, der zweite MCU-Film überhaupt, der damals noch mit Edward Norton in der Hauptrolle entstand, die einzige Verfilmung im großen Marvel-Franchise. Nun bekommt Bruce Banner also ein weibliches Pendant, das sich ganz pragmatisch „She-Hulk“ nennt. Doch der Auftritt der eigentlichen Anwältin Jennifer Walters stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Zumindest nicht mit der Veröffentlichung des ersten Trailers, der sein Publikum direkt in die Uncanny-Valley-Hölle schickte. Die Effekte der TV-Serie stoßen hier nämlich sichtbar an ihre Grenzen und ein Blick in das unnatürliche Gesicht der grünen Protagonistin ließ das Internet sicherlich nicht zu Unrecht Sturm laufen. Dabei ist die Qualität der Effekte nicht das einzige Problem der inzwischen achten Serie aus dem MCU. Denn „She-Hulk“ wird von einem aufgesetzten Meta-Humor sowie einer überhasteten Origin-Story geplagt, die die Komödie mit zur schwächsten MCU-Serie machen.

 

Das Leben der Anwältin und Mittdreißigerin Jennifer Walters wird eines Tages auf den Kopf gestellt, als sie bei einem Autounfall mit dem Blut ihres berühmten Cousins Bruce Banner in Kontakt gerät. Als zwei Meter großes Wutmonster muss Jennifer fortan ihr Doppelleben als Anwältin und Superheldin meistern.

„She-Hulk“ erzählt augenscheinlich also eine ganz gewöhnliche Origin-Story, hat dabei aber von Anfang an mit einem Problem zu kämpfen. Denn die Einführung ihres menschlichen Charakters, das Erhalten ihrer Kräfte und das Lernen, was es bedeutet, ein Hulk zu sein, findet bereits alles in der ersten Episode statt! Und da hat „She-Hulk“ mit dem Rey-Syndrom aus der neuen „Star Wars“-Trilogie zu kämpfen. Ähnlich wie der junge Skywalker-Spross kann sich auch Jennifers Walters direkt mit dem Hulk messen und natürlich kann sie sich auch problemlos zwischen ihrer menschlichen und grünen Form verwandeln. Mark Ruffalo mag zwar nie einen Solofilm spendiert bekommen haben, allerdings wurde seine Geschichte über verschiedenen Filme hinweg immer weiter erzählt und er musste sich seine "innere Ausgeglichenheit" erst einmal verdienen. Entsprechend unbefriedigend fühlt sich nun dieser Auftakt von „She-Hulk“ an. Und wo wir schon bei „Star Wars“ waren: Auch an „Das Buch von Boba Fett“ weckt die Marvel-Serie einige Erinnerung. Dort waren die beiden „Mandalorian“-Episoden die besten Folgen der Staffel, hier ist es die achte Episode, in der Daredevil sein lang-ersehntes Comeback feiert. Charlie Cox, der bereits bei „Spider-Man: No Way Home“ kurz als Anwalt auftreten durfte, schlüpft nun erstmals wieder in das neue Kostüm seines Alter-Egos (Wobei mir das rote Outfit aus der Netflix-Serie besser gefiel). Das sein Auftritt humorvoller ausfallen würde als in seiner eigenen düsteren Serie, war klar, die Chemie mit Jennifer Walters ist aber definitiv vorhanden, weswegen mir das Comeback eine Menge Spaß bereitet hat. In seiner eigenen Serie (die 2024 kommen soll) darf/muss es dann aber wieder düsterer und blutiger zugehen! 

Zu „She-Hulk“ hätte das aber auch gar nicht gepasst, denn die Serie ist wie schon „Thor: Love and Thunder“ eine reine Komödie, die sich bei vielen Witzen aber auch an ein eher weibliches Publikum richtet. Trotzdem hat die Serie einen unterhaltsamen Eindruck hinterlassen, da sie mit ihren neun knapp halbstündigen Episoden kurzweilig genug ist. Zumal man bei der Laufzeit noch circa sieben Minuten (!) abziehen muss, die jeweils für den Rückblick und den ausführlichen Abspann drauf gehen. Wöchentlich würde ich solche 25-Minuten-Häppchen also nicht anschauen wollen. Zum schnellen durchbingen eignet sich die Serie jedoch hervorragend, nur solltet ihr stets die Mid-Credits abwarten, da zumindest in den ersten Episoden noch die eine oder andere witzige Szene folgt. Entsprechend hat mir „She-Hulk“ scheinbar besser gefallen als vielen anderen, zumal mir der fehlende Spannungsbogen nichts ausgemacht hat. Von den ersten Episoden der ebenfalls umstrittenen „Ms. Marvel“-Serie war ich beispielsweise noch sehr angetan, sobald jedoch die generischen Antagonisten das Feld betraten, konnte mich die Serie weit weniger überzeugen. Bei „She-Hulk“ verzichtet man (fast) komplett auf eine gewöhnliche Superheldengeschichte und belässt es dabei, die privaten Mühen der Anwältin in den Vordergrund zu stellen, was ich persönlich sehr gelungen fand. Auch wenn viele Gags leider verpuffen und für die Twerk-Szene mit Megan Thee Stallion das Wort "cringe" wohl extra erfunden wurde. Viel schlimmer sind jedoch die unpassenden Meta-Spielereien. Denn noch vor dem ersten MCU-Auftritt von „Deadpool“ bricht Jennifer Walters die vierte Wand. Warum ausgerechnet ihr Charakter direkt zum Publikum spricht, ist mir ein Rätsel und das Stilmittel wirkt definitiv aufgesetzt. Allerdings habt ihr acht Episoden Zeit, um euch daran zu gewöhnen, denn im leider miserablen Staffelfinale dreht „She-Hulk“ völlig durch und serviert ein geradezu lächerliches Meta-Feuerwerk inklusive eines K.I.-Kevin Feiges (Ja, das ist leider kein Scherz). Dieser völlig unlustige Totalausfall von einem Finale ist zudem wieder so vollgestopft mit Ideen (Hulk hat jetzt ein Kind? Was zur...), dass am Ende mein eigentlich solider Eindruck von der Serie zerstört wurde.

Und dann müssen wir ja noch über den grünen Elefanten im Raum reden: Das CGI. Nach den Trailern hat sich jedenfalls nichts mehr geändert (wie denn auch, die Effektstudios sind ohnehin schon überlastet) und die Protagonistin sieht leider wirklich nicht gut aus. Gerade im Tageslicht hinterlässt das Gesicht keinen guten Eindruck und selbst die Gehanimationen wirken mit ihrem federnden Gang teilweise komisch. Der YouTube-Kanal „Corridor Crew“ hat die Probleme wie ich finde aber ganz gut auf den Punkt gebracht. Bei näherer Betrachtung bewegt sich nämlich auch der Mund von Mark Ruffalo nicht unbedingt realistisch, allerdings steuern die Falten und Barthaare des Darstellers dem Uncanny-Valley-Effekt entgegen. Beim glatten Gesicht von Darstellerin Tatiana Maslany kann jedoch nichts die unnatürlichen Bewegungen kaschieren. Ich frage mich viel eher, ob Marvel hier nicht der übermäßige Einsatz von Effekten zum Verhängnis wird und ob sie die Verwandlung zu „She-Hulk“ nicht auch mit mehr praktischen Effekten hätten umsetzten können. So sieht das Endergebnis jedenfalls wenig überzeugend aus.

 

Fazit

Über weite Strecken hat mich „She-Hulk“ wohl besser unterhalten als viele andere Marvel-Fans, bei denen die Serie nicht gerade gut wegkommt. Zwar verpuffen viele Gags und für die Twerk-Szene mit Megan Thee Stallion wurde das Wort "cringe" wohl extra erfunden, allerdings haben die neun knapp halbstündigen Episoden für kurzweilige Unterhaltung bei mir gesorgt. Und ich mochte es, dass die Serie eben keine gewöhnliche Superheldengeschichte mit einem Haufen Bösewichten erzählt, sondern einfach nur die privaten Mühen von Jennifer Walters im Vordergrund standen. Das hätte ich mir von „Ms. Marvel“ ebenfalls gewünscht. Da sie direkt alles kann, wirkt ihre Origin-Story im Vergleich zu Mark Ruffalo, der sich erst alles verdienen musste, was Walters hier bereits nach einer Episode scheinbar perfekt beherrscht, allerdings sehr unbefriedigend (Rey Skywalker lässt grüßen). Dazu kommt der aufgesetzt wirkende Bruch der vierten Wand, was schlussendlich zu einem miserablen Meta-Staffelfinale führt inklusive einem K.I.-Kevin Feige! Dieser Totalausfall von einem Finale hat dann auch meinen eigentlich soliden Eindruck der Serie zerstört, deren beste Episode ohnehin das Comeback von „Daredevil“ ist (hier lässt „Das Buch von Boba Fett“ grüßen). Und über die Uncanny-Valley-Hölle, die bei einem Blick in das Gesicht von „She-Hulk“ losbricht, müssen wir erst gar nicht reden. Entsprechend gehört „She-Hulk“ neben „Hawkeye“ zur bisher schwächsten MCU-Serie, daran kann auch die gut aufgelegte Hauptdarstellerin Tatiana Maslany nichts ändern.

 

5/10


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Poster&Trailer: © Walt Disney